Kommentar Ölkrieg Nigeria: Symptom einer Systemkrise
Während die Welt auf die Piraterie vor Somalia guckt, verursacht die Gewalt in und vor Nigeria weitaus höheren ökonomischen Schaden.
D er Krieg in Nigerias Ölgebieten erreicht eine neue Qualität. Rebellen legen nach Gutdünken den Export lahm, die Regierung greift zu blindwütigen Rachefeldzügen. Das Ergebnis: eine um ein Drittel gesunkene Ölproduktion, ein ähnlicher Einbruch bei den Staatseinnahmen Nigerias und eine Abwendung der Ölkonzerne, die sich lieber den neuen Ölmächten wie Angola zuwenden. Die Bevölkerung der Ölgebiete derweil versinkt weiter im Elend.
Dominic Johnson ist Auslandsredakteur der taz.
Während die Welt auf die Piraterie vor Somalia guckt, verursacht die Gewalt in und vor Nigeria weitaus höheren ökonomischen Schaden. Der einzige Grund, warum vor der westafrikanischen Atlantikküste nicht längst so viele Kriegsschiffe herumfahren wie am Horn von Afrika, ist die Fortexistenz eines Staates, dem man zutraut, mit der Lage fertig zu werden. Tatsächlich liegen in Nigerias Hauptstadt Abuja jede Menge Reformpläne für die Ölgebiete und den Ölsektor, und die amtierende Regierung scheint aufgeschlossener für Veränderungen zu sein als ihre Vorgänger. Aber der Krieg wird schlimmer.
Es gibt ein systemisches Problem. Zu den schmutzigen Geheimnissen der neuen nigerianischen Demokratie gehört, dass die Wahlsiege der Regierungspartei regelmäßig durch gigantische Wahlfälschung vor allem in den Ölgebieten eingefahren werden und dass die Elite ihren Lebensstandard durch Korruption im Ölsektor aufrechterhält. Ohne fundamentale Reformen wird der Vielvölkerstaat Nigeria nicht zur Ruhe kommen. Aber solange das Öl fließt, so lange fehlt der Anreiz, etwas an den bestehenden Zuständen zu ändern.
Die Antwort der Ölrebellen lautet: Bürgerkrieg. Daran haben die meisten Nigerianer kein Interesse. Als bevölkerungs- und ölreichstes Land Afrikas südlich der Sahara ist Nigeria zu groß, als dass die Welt sich ein Scheitern dieses Staates erlauben könnte.
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