Kommentar Occupy besetzt Haus: Zeit, Abschied zu nehmen
Die Occopy-Bewegung in Berlin verzettelt sich. Zwar wurde mal wieder kurzfristig ein Haus besetzt. Doch es fehlt den Akteuren an Rückhalt.
N un also noch eine Besetzung. Wieder, liebe Berliner Occupy-Bewegung, habt ihr einen Paukenschlag angekündigt. Und diesmal das Haus der Statistik am Alexanderplatz okkupiert. Eine schöne Idee. Nur kamen nicht viele. Wieder mal.
Es scheint an der Zeit, Abschied zu nehmen. Ihr, die ihr seit Wochen für Demokratie pleniert und campt, ihr habt's probiert - aber von einer gesellschaftsumwälzenden Bewegung ist noch immer nichts zu sehen. Dabei war die Ausgangslage nicht schlecht. Die Wut über Rettungsmilliarden für kriselnde Banken statt für Soziales, über das Auseinanderklaffen von Arm und Reich - wer teilt das nicht? Aber nach den Großdemos bliebt ihr Camper wieder unter euch. Ein Vergleich: Gerade erst rollte der Castor ins Wendland. Und der ganze Landkreis revoltierte. Bauern blockierten Gleise, Schüler demonstrierten, Omis schmierten Stullen für die Atomkraftgegner. Da wurde Wut zu Widerstand, fast kollektiv.
Scheitern selbst ankreiden
Sicher, das Finanzsystem ist ein abstrakterer Gegner als ein Zug voller Nuklearmüll. Aber dass selbst natürliche Partner wie Gewerkschaften oder Attac nicht (mehr) mitbesetzen, daran seid ihr nicht ganz unschuldig. Bis heute diskutiert ihr mehr übers Zelten als darüber, was ihr eigentlich wie verändern wollt. Und warum euer Weg erfolgversprechender sein soll als der anderer Kapitalismusgegner.
Wir wissen, eure Revolution ist schon das neue Diskutieren, das Forum der Menge. Nur ist diese Menge verdammt klein. So bleibt eure Asamblea sicher eine feine Form der Selbstverständigung. Die Gesellschaft aber hat sie nicht verändert. Liebe Okkupisten, es hat nicht sollen sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin