Kommentar Obama in der Türkei: Wie verlässlich ist die Türkei?

Die USA wollen ihr Verhältnis zur Türkei aufbessern. Das scheitert möglicherweise am Willen und der Fähigkeit der Türkei.

Die Türkei ist eine Brücke zwischen Orient und Okzident, ein Mittler zwischen West und Ost, eine Drehscheibe zwischen Europa und Asien. Kaum eine Ehrung einer türkischen Künstlerin oder eine Werbung für eine Kaffeefahrt nach Istanbul, die ohne derlei Bekundungen auskäme. Aber so wie jede abgenutzte Phrase nicht zwingend unwahr ist, ist auch an dieser etwas dran. Das sieht Barack Obama, wie seine Rede vor dem türkischen Parlament zeigt, nicht anders.

Dass der amerikanische Präsident zu seinem zweiten offiziellen Staatsbesuch in die Türkei gereist ist, offenbart, welche Bedeutung die USA dem Land beimessen. Ebenso die Tatsache, dass er (wie schon George Bush senior und Bill Clinton) für einen EU-Beitritt der Türkei wirbt. Die USA wollen ihr seit dem Irakkrieg lädiertes Verhältnis zur Türkei aufbessern und sehen das Land als Vermittler. Aber ist die Türkei überhaupt willens und fähig, eine solche Rolle zu übernehmen? Und ist es diese Regierung?

Im Weg stehen der Türkei zum einen die Erblasten der Republik, also der türkische Nationalismus. So wird es keine Normalisierung der Beziehungen zum Nachbarland Armenien geben, solange Staat und Gesellschaft den Völkermord hysterisch leugnen. Und mit den Kurden im Nordirak spricht sichs auch viel vertraulicher, wenn man nicht selbst ein Kurdenproblem hat.

Zum zweiten Hindernis könnte die aktuelle Regierung werden. Der Auftritt auf dem Nato-Gipfel hat gezeigt, dass sich die Türken ihrer gewachsenen Bedeutung bewusst sind. Der Verweis auf die Mohammed-Karikaturen, mit dem man gegen Anders Fogh Rasmussen argumentierte, aber war vor allem eine Botschaft an die islamische Welt: Wir vertreten eure Interessen!

In dieses Bild fügen sich die guten Kontakte, die die Erdogan-Regierung zum Iran oder zur Hamas unterhält. Die wären einer Mittlerrolle dienlich, wären da nicht die antiisraelischen Töne, die jüngst zu vernehmen sind und die mit Erdogans Provokation Israels in Davos ihren vorläufigen Höhepunkt fanden. Verstärken sich diese Tendenzen, käme etwas anderes heraus als Brücke oder Drehscheibe - nämlich eine Türkei, die sich als Wortführerin der islamischen Welt versteht.

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Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.

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