Kommentar Obama-Sieg: Ein Mann für alle Wähler
Obama versprach nicht das Blaue vom Himmel, sondern die Probleme des Landes pragmatisch zu lösen. Das genau ist der Auftrag seiner Wähler.
Adrienne Woltersdorf ist USA-Korrespondentin der taz.
Säßen die verschiedenen Wähler Barack Obamas gemeinsam an einem Kneipentisch, sie hätten sich wohl kaum viel zu sagen. Dennoch haben sie alle - die enthusiastischen Neuwählenden, die Progressiven und die enttäuschten Republikaner - gemeinsam einem Kandidaten ihre Stimme gegeben, der bei seiner Siegesrede betonte, er werde nicht vergessen, um wen es ihm während seiner Regentschaft gehen wird: nämlich um sie, seine Anhänger.
Nun wird bereits spekuliert, welche Strömung seiner Basis Obama als erste enttäuschen wird. Die Antwort lautet zunächst: Keine. Denn niemand kann für sich in Anspruch nehmen, Obama sei der Mann speziell seiner politischen Gruppierung. Er ist nämlich nicht der Kandidat einer neu entstandenen Bewegung - im Gegenteil: Obama als Kandidat hat sich dank einer Graswurzelstrategie selbst eine Bewegung geschaffen. US-Amerikaner verschiedenster politischer Schattierungen ließen sich von einem Politiker ansprechen, der an ihre Tür klopfte und eben nicht versprach, das Land zu revolutionieren, sondern es zu reparieren.
Ob Obama die Kräfte, die er selbst anstachelte und mobilisierte, in Zukunft lenken kann? Auch dagegen spricht wenig. Denn die Botschaft, mit der ein völlig unbekannter Kandidat auf dem Parteitag der Demokraten 2004 hervortrat, lautete schlicht: Es gibt kein rotes republikanisches Amerika, es gibt kein blaues demokratisches Amerika - es gibt nur die Vereinigten Staaten von Amerika. Das ist bis heute Obamas Botschaft, und dafür haben ihn die Schwarzen, die Latinos, die jungen Frauen und die Unzufriedenen gewählt. Obama versprach nicht die Homoehe, nicht das Ende der Exekutionen oder eine Exitstrategie für die Kriegseinsätze. Wohl aber versprach er, die Probleme des Landes pragmatisch zu lösen. Das genau ist der Auftrag seiner Wähler.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Verkehrsranking
Das sind die Stau-Städte
Präsident des Zentralrats der Juden
Ernüchternde Bilanz nach Großdemos gegen rechts
Habeck-Werbung in München
Grüne Projektion
Vorwürfe gegen Grünen-Politiker Gelbhaar
Ende einer politischen Karriere
Verteidigung, Trump, Wahlkampf
Die nächste Zeitenwende
Julia Klöckner löscht AfD-Post
CDU bietet „was ihr wollt“