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Kommentar Neuwahl in HessenHessens verlorenes Jahr

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die hessische SPD muss sich entscheiden: Neuwahlen mit oder ohne Andrea Ypsilanti? Ideologisch sollte sie sich aber auf keinen Fall abgrenzen.

D ie hessische SPD macht fünf Tage nach dem Aus für Rot-Rot-Grün einen verstörten Eindruck. Offenbar gab es sogar Genossen, die ernsthaft eine große Koalition mit Roland Koch anpeilten, nur um Neuwahlen zu verhindern.

Bild: taz

Stefan Reinecke, 49, lebt in Berlin- Kreuzberg, war früher Redakteur der taz-Meinungsseite und ist seit fünf Jahren Autor der taz. Er beschäftigt sich vor allem mit Innenpolitik, Parteien und Geschichtspolitik.

Damit hätte die SPD ihr politisches Fiasko um ein moralisches komplettiert. Denn für eine Koalition mit Koch hätte es nur einen Grund gegeben: das Eigeninteresse des Apparates, die panische Angst, Macht und Mandate zu verlieren. Nun hat die SPD sich zu Neuwahlen durchgerungen - spät, aber immerhin. Als Kochs Juniorpartner hätte die SPD jede Glaubwürdigkeit verspielt und ihr monatelang wiederholtes Versprechen, einen wirklichen Politikwechsel zu wollen, gebrochen. Neuwahlen sind für die hessischen Genossen ungemütlich - aber sie sind der einzige Weg, um die Blockade in Wiesbaden aufzulösen.

Ist es klug, wenn die SPD nun wieder mit Andrea Ypsilanti in den Wahlkampf zieht? Zwar war das Verhalten der vier Abweichler mies - das ändert aber nichts daran, dass Ypsilanti politisch verantwortlich ist. Als Taktikerin ist sie komplett gescheitert. Doch ihre schwungvollen Konzepte, vor allem bei Bildung und Energie, sind keineswegs ad acta gelegt. Wenn die SPD diesen entschlossenen Reformkurs nun beerdigt, wird sie bei Neuwahlen in der Tat chancenlos sein.

Und es gibt einen praktischen Grund, der für Ypsilanti spricht. Es ist bis zur Wahl im Januar kaum möglich, etwa den Nordhessen Manfred Schaub als überzeugenden, scharf profilierten Gegenkandidaten zu Roland Koch aufzubauen. Ypsilanti hat Blessuren - noch schwerer wird es für die SPD mit einem Spitzenkandidaten, den kaum jemand kennt. Sicher ist, dass etwas anders sein wird bei diesen Wahlen. Keine Partei schließt Koalitionen mehr grundsätzlich aus: die SPD Rot-Rot-Grün nicht, die FDP die Ampel nicht. Die Parteien merken, dass ideologische Abgrenzungsbeschlüsse im Fünfparteiensystem nicht funktionieren. Hätten sie diese Klugheit schon 2007 gehabt, Hessen wäre dieses verlorene, wirre Jahr erspart geblieben.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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3 Kommentare

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    Karl Baumgart

    Der Verfasser nennt das Verhalten der vier Aufrechten "mies", was ich gänzlich unverständlich finde. Wie hält er es mit dem wichtigen Gut der Gewissensfreiheit eines jeden einzelnen Abgeordneten?? Mies ist seine Bewertung, wenn auch nicht so mies wie der Schwenk der Frau Lügilanti.In der heutigen FAZ.net (8.11.2008) kann er in einem längeren Artikel lesen, wie die vier Abweichler von ihrer Fraktion unter Druck gesetzt wurden... Ich bin froh, solchen Mut im politischen Bereich noch einmal erlebt zu haben!!!

  • K
    Klaus

    Früher hieß es mal Politik bedeute das "Bohren von dicken Brettern"; heute geht es um "schwungvolle Konzepte". Good Luck! Ich bin in Rente und die paar Jahre wird es hoffentlich noch gut gehen ...

  • M
    Meistertroll

    Jedes Jahr, jeder Monat, jeder Tag, jede Minute, jede Sekunde ohne eine handelsfähige Mehrheit der CDU war eine gute Zeit für Hessen und den meisten seiner Bürger ob sie es wollten oder nicht. So konnte durch einfacher Stillstand sehr viele Fehler des Lügenbarons Koch bei uns in Hessen vermieden werden. Ich sehne mich jetzt schon an diese Zeit zurück. Denn nach der nächsten Wahl wird der brutalst mögliche Aufklärer dieser Nation und gesamten Erdkreises wieder die Macht übernehmen.

    Dann wird vielleicht der Pfarrer mit der Bibel in der Hand in der Hauptschule Biologie unterrichten.