Kommentar Neues S-Bahn-Chaos: Schuldig ist Klaus Wowereit
Kein Rücktritt ist nötig, sondern die schnellstmögliche Kündigung des S-Bahn-Vertrags
Selten wurde jemand so vorgeführt wie Verkehrssenatorin Junge-Reyer (SPD) dieser Tage durch die S-Bahn. Erst wird alles gut, danach ist alles schlimmer. Einmal mehr läuft die Senatorin dem Geschehen hinterher, statt selbst zu agieren. Krisenmanagement sieht anders aus.
Dennoch gehen die Rücktrittsforderungen an die Senatorin an die falsche Adresse. Selbst wenn Ingeborg Junge-Reyer einen Crash-Kurs in Sachen Krisenmanagement absolvieren würde, ihr Handlungsspielraum wäre nicht größer. Denn eine Ausstiegsklausel sieht der S-Bahn-Vertrag nicht vor. Deshalb trägt nicht nur die Verkehrssenatorin die Verantwortung für die Chaosmonate bei der S-Bahn, sondern auch Klaus Wowereit.
Es war schließlich der Regierende Bürgermeister, der den Vertrag mit der S-Bahn 2003 mit dem damaligen Bahnchef Hartmut Mehdorf verhandelt hat. Oder besser: sich diktieren ließ. Selbst der Einbehalt von Landesgeldern bei nicht erbrachter Leistung wurde, wie es so schön heißt, gekappt. Im Klartext: Ob die Bahn mit der Hälfte oder einem Viertel ihrer Züge fährt, macht finanziell keinen Unterschied. Und was machte Wowereit beim seinem Bahngipfel mit Mehdorns Nachfolger Grube? Kreide fressen!
So lange dieser S-Bahn-Vertrag gilt, wird die Bahntochter die Berliner und den Senat weiter an der Nase herumführen. Deshalb kann es nur eine Lösung geben: schnellstmögliche Kündigung. Wenn die S-Bahn so massiv ihre Pflichten missachtet, braucht sich die Politik auch nicht mehr um die Rechte des Vertragspartners scheren. Das nennt man dann Sonderkündigungsrecht.
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