Kommentar Nahost-Gespräche: Dialog ohne Basis
Es macht keinen Sinn, jetzt die Konfliktparteien an einen Tisch zu zwingen. Wer falsche Hoffnungen schürt, könnte am Ende nur noch mehr Gewalt ernten.
W er von den Friedensfreunden in Nahost und andernorts würde sich nicht für einen direkten Dialog beider Konfliktparteien einsetzen, wohl wissend, dass ein gegenseitiger Boykott zu nichts führt. Trotzdem sei vor Verhandlungen gewarnt, deren Scheitern von vornherein abzusehen ist. Verhandlungen nur um der Verhandlungen willen zu führen, ist ein gefährliches Spiel, für das Menschen in der Region mit dem Leben bezahlen müssen: Die ersten Opfer gab es noch bevor die Gespräche überhaupt angefangen haben.
Welche politischen Interessen hinter den US-amerikanischen Anstrengungen und dem Zutun des Nahostquartetts, also auch der Europäer, der UN und Russlands, stecken, sei dahingestellt. Fest steht, dass die Bemühungen um einen Frieden im Nahen Osten mit dem Nahen Osten selbst sehr wenig zu tun haben; denn dass die Bedingungen für einen Dialog nicht gegeben sind, ist nur allzu offensichtlich.
Israels Regierungschef Netanjahu verweigert den Baustopp in den Siedlungen, und die Palästinenser sind untereinander zerstritten. Im günstigsten Fall wäre ein Teilfrieden machbar, der den Gazastreifen vorübergehend außen vor lässt: eine Option, die die Palästinenser stets abgelehnt haben.
Wer unter den aktuellen Bedingungen die beiden Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zwingt, handelt verantwortungslos und selbstherrlich. Doch das Nahostquartett rechnet mit einer Lösung innerhalb eines Jahres, der US-Sondergesandte George Mitchell spricht gar von einem Frieden bis Ende 2010. Man fragt sich, woher der Optimismus rührt von einem Vermittler, der in den vergangenen Wochen seiner Pendeldiplomatie beide Seiten nicht einen Schritt einander näherbringen konnte. Wer Hoffnungen schürt, muss mit Enttäuschung rechnen. Gerade zehn Jahre ist es her, dass das Scheitern von Camp David, wo eine Friedenslösung so nah wie nie zuvor erschien, zu schrecklichem Terror und militärischer Gewalt führte.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße