Kommentar Nahost-Dreiergipfel: Gefährliche Utopien
Weder für Israelis noch für Palästinenser ist die Zweistaatenlösung verlockend, aber sie ist die einzige, die für beide akzeptabel wäre, und die einzige, die Blutvergießen verhindern kann.
D ie Körpersprache der Protagonisten während des Dreiergipfels in New York lässt nicht gerade Hoffnung schöpfen auf einen baldigen Frieden in Nahost. Nur zögerlich reichten sich Palästinenserpräsident Abbas und der israelische Premier Netanjahu die Hand. Fast hatte man den Eindruck, als würden sie US-Präsident Obama einen Gefallen tun, indem sie seiner Einladung folgten. Dabei sollten sie dankbar sein dafür, dass er sich für ihre Sache starkmacht. Nur: Ist die Zweistaatenlösung wirklich noch die Sache Israels und der Palästinenser, oder verfolgen nicht beide Seiten längst andere, eigene Wege?
In Israel will man die Palästinenser loswerden. Ohne Zweistaatenlösung, die sich die Linke und die politische Mitte offiziell in Israel noch immer wünschen, wäre das nur dann möglich, wenn die Nachbarstaaten einer Angliederung der beiden palästinensischen Einheiten zustimmten. Ägypten müsste Gaza übernehmen, Jordanien das Westjordanland. So schwebte es dem im Koma liegenden Expremierminister Ariel Scharon schon vor 20 Jahren vor. Problematisch dabei: Weder Jordanien noch Ägypten und noch weniger die Palästinenser würden dabei mitspielen.
In Ramallah, Hebron und Nablus ist die Position populär, man könne es mit einem Einheitsstaat versuchen, sollte aus zwei Staaten nichts werden. Vorausgesetzt, die Palästinenser kämen dort in den Genuss voller Staatsbürgerrechte. Auf kurz oder lang gäbe es in dem künftigen "Israpal" oder "Palrael" eine arabische Mehrheit - und dann wäre es ohnehin aus mit dem jüdischen Staat.
Weder für Israelis noch für Palästinenser ist die Zweistaatenlösung verlockend, aber sie ist die einzige, die für beide Seiten akzeptabel wäre, und die einzige, die neues Blutvergießen verhindern kann. Alles andere ist gefährliche Utopie.
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