Kommentar Nabucco-Pipeline: Nichts für Puristen
Eine eigene Gaspipeline, die die Energie-Abhängigkeit von Russland verringert, ist nötig.
Ist es sinnvoll, in den nächsten Jahren 8 Milliarden Euro in einer Gaspipeline zu verbuddeln, von der noch nicht einmal klar, ist wie sie gefüllt werden soll? Die EU und dort vor allem Deutschland, Österreich, Ungarn, Rumänien und Bulgarien haben sich nun gemeinsam mit der Türkei entschlossen, genau dies zu tun. Die Nabucco genannte Gaspipline soll ab 2014 bis zu zehn Prozent des europäischen Gasbedarfs aus Zentralasien sichern, um die Abhängigkeit von Russland zu verringern.
Wäre es nicht sinnvoller, das Geld gleich in regenerative Energien zu investieren? Denn wenn man davon ausgeht, dass mindestens bis Mitte des Jahrtausends Sonne, Wind und Biogas allein die Energieversorgung nicht gewährleisten können, ist Gas sicher die bessere Alternative als Atomstrom oder Kohle.
Allerdings sind die Schwierigkeiten für Nabucco enorm. Um sich von der russischen Gazprom unabhängig machen zu können, gehen alle Beteiligten hohe Risiken ein. Damit Nabucco profitabel betrieben werden kann, müssen neben Aserbaidschan und Irak vor allem Turkmenien und über kurz oder lang auch Iran mitmachen. Turkmenien nutzt Nabucco als Druckmittel und hat zunächst erreicht, dass Gazprom künftig mehr zahlt. Letztlich wird die EU Gazprom überbieten müssen. Iran muss erst einmal bereit sein, mit dem Westen über sein Atomprogramm zu verhandeln - die Pipeline könnte dafür ein Anreiz sein. Der Türkei muss die EU eine steigende strategische Bedeutung zugestehen als zunehmend wichtiger werdendem Energiekorridor südlich von Russland. Alle Gegner eines Beitritts des Landes zur EU sollte das noch einmal nachdenklich machen.
Kurz, die Pipeline ist eine enorme Herausforderung, die außenpolitischen Puristen eine Menge abverlangt. Trotzdem ist der Versuch richtig. Die Alternativen sind eine fast völlige Abhängigkeit von Russland beim Gas plus mehr Kohle und Atom.
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