Kommentar NSU: Rot-grüne Augenwischerei
Der Bremer Versuch, den Verfassungsschutz transparenter zu machen und besser zu kontrollieren, ist politisch naiv. Oder durchtrieben.
D ie Tinte unter dem Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des Bundestages zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ist kaum trocken, der Bericht gerade mal im Bundestag andiskutiert – laut Präsident Norbert Lammert (CDU) ist „die Arbeit noch nicht erledigt“ –, da näht der rot-grüne Senat in Bremen für seine Verfassungsschützer bereits einen neuen Mantel. Und will so seinen Geheimdienst retten.
Fest steht bisher jedoch nur so viel: Die Sicherheitsbehörden haben, was das Jenaer Neonazi-Trio Uwe Mundlos, Uwe Börnhardt und Beate Zschäpe und ihre Gefolgschaft angeht, „systematisch“ und „historisch beispielslos versagt“, so der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) – wenn man dem Geheimdienst nicht unterstellt, die Neonazi-Machenschaften gedeckt zu haben.
Wenn jetzt Rot-Grün in Bremen meint, unabhängig von den noch laufenden Debatten über die Zukunft der 17 Verfassungsschutzämter auf Bundes- und Landesebene, ihre Schar an Geheimagenten – die ja alles geheim machen, weil sie Geheimagenten sind – durch eine zur Geheimhaltung verpflichtete Parlamentarische Kontrollkomission, die die G 10-Kommission kontrolliert, in den Griff zu kriegen, ist das Augenwischerei. Parlamentarier können eben immer nur dann nachbohren, wenn sie etwas bereits wissen. Und wer glaubt, V-Leute, im NSU-Fall gekaufte Neonazis oder Bankräuber, ließen sich durch verbindliche Standards politisch leiten und moralisch führen, ist einfach naiv.
Es wird auch nichts nützen, wenn der V-Mann-Führer öfter wechselt und der V-Mann beteuert, weder seine Truppe organisatorisch noch ideell zu unterstützen. Der Auftrag bedingt die Gestaltung: Je aktiver und militanter jemand agiert, desto anerkannter ist er und desto mehr wichtige Informationen bekommt er. Ob er sie dann weitergibt, ist eine andere Frage, und die stellt das ganze V-Mann-Wesen ernsthaft in Frage – auch in Bremen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe