Kommentar NRW: Leichte Vibrationen ohne Erschütterung
Die Düsseldorfer Vibrationen kann die Berliner Machtarchitektur nicht nachhaltig erschüttern. Krafts Sieg ist überzeugend, eine Blaupause zum Sturz Merkels ist er nicht.
D ie CDU ist klar geschlagen, die Linkspartei unter 5 Prozent, die SPD triumphiert. Und Rot-Grün hat, trotz Piraten, eine eigene Mehrheit. Dieser Sieg mag an ein archaisches Erzählungmuster erinnern, von Fall und Wiederaufstieg. Fast genau vor sieben Jahren, im Mai 2005, ging in Düsseldorf Rot-Grün unter, als Schröder Neuwahlen verkündete. Merkels Aufstieg zur ewigen Kanzlerin begann damals ebenso wie der Erfolg der Linkspartei im Westen.
Ist diese Wahl also ein historischer Drehpunkt – der Anfang vom Ende von Merkels Kanzlerschaft und die Auflösung der Selbstblockade von Mitte-links? First we take NRW, then we take Berlin?
Für SPD und Grüne ist das eine schöne Geschichte, etwas zu schön, um wahr zu sein. Historie wiederholt sich nicht, auch nicht spiegelverkehrt. Hannelore Kraft hat gegen Norbert Röttgen gewonnen, nicht gegen Merkel. Und das war das Duell authentisch gegen arrogant. Das Geheimnis von Krafts Erfolg ist, dass sie, ohne blass zu wirken, die politische Mitte okkupierte. Sie schaffte mit der Linkspartei die Studiengebühren ab und beendete mit der CDU den Schulkampf. Alle Angriffe von rechts und links perlten danach an ihr ab. So clever postideologisch inszeniert sich sonst nur – Angela Merkel.
ist Parlamentsredakteur der taz.
Finster sieht es für die Linkspartei aus. Sie verliert im Westen so schnell, wie sie dort nach 2005 gewann. So rächt sich der starre Blick auf die SPD. Ohne Empörungswelle über die Agenda 2010 scheint ihr Dasein brüchig. Allerdings ist NRW kein Passepartout für den Bund. Die Linkspartei bleibt im Osten stark genug, um Rot-Grün in Berlin zu verhindern.
Das zeigt an, dass die Düsseldorfer Vibrationen die Berliner Machtarchitektur nicht nachhaltig erschüttern. Für Röttgen und Rösler geht es auf der Karriereleiter nach unten, Lafontaine steht mal wieder vor einem Comeback. Aber einen Umsturz, ein Aus für Schwarz-Gelb, wird es nicht geben. Merkel hat nichts von Schröders mentalem Putschismus. Sie wird in zähem Ringen das Kleingedruckte zum Fiskalpakt mit der SPD verhandeln. Das wird kaum der Startschuss eines aggressiven, frisch-selbstbewussten Kampfes von Rot-Grün gegen Merkel, sondern das zähe Ringen einer ganz großen Koalition von FDP bis SPD, mit Angela Merkel in der Mitte.
Krafts Sieg ist überzeugend, eindeutig, ja furios. Eine Blaupause, wie Rot-Grün 2013 Merkel schlagen kann, ist er nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht