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Kommentar NRW-WahlDas Ende von Schwarz-Gelb in Berlin

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Niederlage von Schwarz-Gelb in Düsseldorf ist mehr als bloß eine verlorene Landtagswahl. Sie läutet das zähe Ende der Merkel-Westerwelle Regierung ein.

D ie Niederlage von Schwarz-Gelb in NRW ist mehr als bloß eine verlorene Landtagswahl. Sie läutet, nach schon einem Dreivierteljahr, das Ende der Merkel-Westerwelle-Regierung ein. Merkel wird im Bundesrat Kompromisse mit SPD oder Grünen schließen müssen. Faktisch gibt es in Berlin damit wieder eine Allparteienregierung. Das wird die ohnehin verhagelte Stimmung zwischen Union und FDP noch trüber werden lassen. Die FDP ist sowieso gereizt, weil sie kaum eine ihrer Versprechungen durchsetzen kann. Nun ist klar: Es wird keine Steuersenkung und keine Kopfpauschale geben. Und die Hysterie-Anfälle der Liberalen werden wieder zunehmen.

Dieses Ergebnis ist ein Zeichen, dass in Berlin die Falschen regieren. Die FDP passt mit ihrem Steuersenkungsmantra und ihrer verharschten Anti-Staats-Ideologie einfach nicht die Zeit. Den Kommunen droht der finanzielle Kollaps, die Verschuldung steigt, die ungebremste Spekulation gefährdet den Euro. Sogar die Union begreift langsam, dass es nicht reicht, von der Regulierung der globalen Finanzindustrie bloß zu reden.

Doch die FDP blockt - weil sie nicht anders kann. Außer Steuersenkungen, an die noch nicht mal mehr ihre eigene Klientel glaubt, hat sie schlicht kein Programm. Die Bürgerrechte sind bei den Grünen genauso gut, wenn nicht besser aufgehoben. So werden die Liberalen mangels Alternative weitermachen wie bisher. Gestalten können sie nichts mehr, nur noch bremsen.

Bild: taz

Stefan Reinecke ist Politik-Redakteur der taz.

Für die SPD ist es ein ziemlich ungewohntes Gefühl, mal eine Wahl nicht krachend zu verlieren. Allerdings dürfen sich die Sozialdemokraten dafür vor allem bei dem affärengeplagten Jürgen Rüttgers bedanken, dessen Bild im Laufe des Wahlkampfs immer diffuser wurde. Die tiefe Krise der SPD an Rhein und Ruhr bleibt aber. Wie die Erkenntnis, dass die SPD auch in der Oppositionsrolle die Linkspartei nicht einfach wegdrücken kann. Die Linkspartei ist, trotz ihres in Nordrhein-Westfalen ausgeprägten Verbalradikalismus, endgültig im Westen angekommen.

Die entscheidende Botschaft dieser Wahl aber ist das Ende von Schwarz-Gelb. 2005 ging nach der Niederlage der SPD in Düsseldorf Rot-Grün in Berlin mit einem Knalleffekt unter.

Das Ende von Schwarz-Gelb wird anders ausfallen. Es wird ein langsamer, zäher Abschied. So viel Zeit haben wir in dieser Krise nicht.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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13 Kommentare

 / 
  • A
    Andre

    Das einzige was wirklich aus der Wahl abzulesen ist (und an den letzten Wahlen überhaupt), ist die Tatsache, dass man mittlerweile immer nur die Wahl zwischen Pest und Cholera hat.

     

    Wirklich fundamentale Änderungen durch ein Kreuz alle paar Jahre kann man nicht erwarten , nur irgendwelche Koalitionsregierungen, die sowieso eine unvorhersehbare Politik am Bürger vorbei betreiben.

     

    Mir ist ein Rätsel warum die Journalisten dieses Landes nicht langsam aber sicher sehen und thematisieren, dass ein Großteil der Bürger (v.a. mittlerweile auch die gebildeten Schichten) in politischer RESIGNATION und FRUST erstarren. Das hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Bei mir übrigens auch.

     

    Ich möchte als Bürger endlich bei den wesentlichen sachlichen Entscheidungen beteiligt werden, in dem ich 2 bis 4 mal im Jahr über wesentliche Gesetze gebündelt abstimmen kann (obligatorischer Bürgerentscheid) sowie auf Bürgerinitiative hin (fakultativer Bürgerentscheid).

     

    Dass die herrschende (!) classe politique unser Land nach und nach abwirtschaftet ist leider nicht mehr zu übersehen.

     

    Ich habe langsam genug von diesen selbstherrlichen Westerwelles, Merkels, Rüttgers, Gabriels, Wowereits, Seehofers und wie sie alle heißen mögen. Sie haben zwar die Macht, aber sie tragen nicht wirklich die VERANTWORTUNG für ihr handeln.

  • M
    Mauermer

    Es scheint, als ginge wieder eine Chance für einen Neubeginn ungenutzt vorüber. Der alte Filz aus Rot-Grün-Schwarz blockiert wieder jede Änderung. Das war keine Ohrfeige für Gelb-Schwarz, das war eine für Rot-Schwarz. Sieht nur keiner. Auf zu neuen Ufern, Einheitslohn, Einheitsrente und Einheitslangeweile in der Politik. Das mit der Mauer ist nicht schlecht, so verhindert man, dass die verbliebenen Leistungsträger (= Bezieher von Tarifgehältern und -löhnen) abwandern und am Ende nichts mehr zum Umverteilen da ist. Auch die Rüstungsindustrie hätte etwas davon und die Überwachungstechnologien erlebten einen Entwicklungs- und Wachstumsschub. Abweichler kann man ja in bewährter Weise sammeln und gemeinsam auf Staatskosten wohnen lassen.

  • K
    Kalle

    In der Opposition mögen die Grünen ja viel von Bürgerrechten reden. Wer aber nach der Zustimmung zu Schilys Anti-Terrorgesetzen (biometrische Pässe, Rasterfahndung, Identitätsfeststellung im Visumverfahren), dem Luftsicherheitsgesetz (Abschuss von Passagierflugzeugen, Einsatz der Bundeswehr im Inneren) oder dem EU-Passagierdatengesetz (Weitergabe von Fluggast-Daten bei Transatlantikflügen) ernsthaft behauptet, die Bürgerrechte seien bei den Grünen gut aufgehoben, der muss zwischen 1998 und 2005 politischen Winterschlaf gehalten haben. Da ist mir Frau Leutheusser-Schnarrenberger schon lieber.

  • RB
    Robert Buras

    Wir brauchen Neuwahlen! (das ich DEN mal zitieren würde ...)

  • JB
    Joachim Bovier

    Noch ist nichts verloren

     

    Überraschen kann das desaströse CDU Ergebnis in NRW nicht. Es kam wie es kommen musste, wenn man verantwortliche Reformpolitik verweigert, sich stattdessen in zeitgeistig populistischen Sozialismus versucht und überdies noch erbärmlichst den Grünen anbiedert.

     

    Die liberalen und konservativen Stammwähler wurden von dem Herrn Rüttgers mit seiner billigen Arbeiterrhetorik etwas zu oft vor den Kopf gestoßen. Der Malus von über 10 %, fast einer Millionen Wählerstimmen, ist aber genauso eine deutliche Warnung an Angela Merkel, endlich die marktwirtschaftliche Reformpolitik umzusetzen, die seit den Leipziger Beschlüssen von 2003 wirtschaftspolitische Programmatik der CDU ist.

     

    Insofern mag NRW ein letztes Signal zum Aufwachen sein. Bis zur nächsten Bundestagswahl sind es noch über 3 Jahre: noch ist nichts verloren. Erweist sich diese Kanzlerin aber unfähig als zur Umkehr, so muss die CDU jetzt handeln, sie durch einen Bundeskanzler zu Gutenberg ersetzen, der Deutschland wieder Hoffnung gibt, mit einem Friedrich Merz als durchsetzungsstarkem Finanzminister an seiner Seite, gestützt von einem Roland Koch als CDU Bundesvorsitzenden, der dieser geschundenen Partei wieder Rückgrat verleiht.

  • V
    vic

    Gratulazion an Die Linke.

    (Fast) alle haben mal klein angefangen.

  • W
    waldemar

    Die Bürgerrechte sind nicht im Fokus der Grünen. Die Grünen nehme ich als Partei war, die in jeder Situation für eine neue Regelung sind, um dem dummen Volk das Leben durch Bevormundung zu erleichtern..

  • F
    fernetpunker

    Ich halte Neuwahlen vielleicht sogar noch dieses Jahr wie 2005 für möglich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich.

  • S
    Scrutograph

    Endlich spricht es mal einer aus, dass wir in Deutschland ein System der Allparteienregierung haben.

  • S
    Scrutograph

    Wenn der Staat kurz vor dem finanziellen Kollaps steht, sollte man sich erst recht nicht mehr auf ihn verlassen.

  • WS
    Walter Schmidt

    Wer ist hier eigentlich abgestraft worden, Merkels CDU mit mehr als zehn Prozent Verlust oder Westerwelles FDP mit einem leicht besseren wenn auch insgesamt enttäuschenden Ergebnis im Vergleich zu 2005?

  • JR
    Josef Riga

    Von nun an läuft die Uhr gegen Frau Dr. Merkel. Aber täuschen sollte man sich nicht. Auch Helmut Kohl wurde nach einigen Jahren seiner Kanzlerschaft bereits aufs Altenteil "geschrieben" und blieb dann noch über zehn Jahre im Amt, begünstigt durch einige unvorhersehbare weltpolitische Ereignisse. Das könnte auch für Frau Merkel das Mirakel des Hauses Uckermark werden: Zusammenbruch der Euro-Zone, neuer Nahost-waffengang u. ä. Welcher Regierung trauen dann die lieben Deutschen noch das meiste zu? Ganz richtig: den Konservativen. Auch wenn diese an dem Elend den grössten Eigenanteil aller politischen Lager haben, weil sie z. B. sich nicht auf eine Regulierung der Finanzmärkte festlegen wollen, oder weil sie - so O-Ton Merkel, die "Existenzberechtigung des jüdischen Staates Israel" mit deutscher Hilfe verteidigen wollen.

  • PA
    PANZERGENERAL A.D.

    Schwarz-Gelb hat es verdient, da sind sich alle einig, nur Rot-Grün wird es leider nicht besser machen, dafür geht es der SPD im Bund zu schlecht. Nur Walter Ulbricht hätte die BRD vor den internationalen Spekulanten retten können: Das wäre mal ein Auftrag für die deutsche Bauindustrie - 2500 Kilometer Mauer.