Kommentar NPD-Verbot: Auf die Stimmen der Opfer hören
Es spricht viel für das Verbot der NPD. Denn die Existenz der Partei bedroht einen Teil der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Und zwar psychisch und physisch.
E s geht schon wieder los: Immer dann, wenn rechtsradikale Gewalttaten dieses Land erschüttern, beginnen Politiker stets aufs Neue damit, eine Endlosschleife abzuspulen. Sie trägt den Titel "NPD-Verbot", ihre Argumente sind immer die gleichen, Befürworter und Gegner sind ebenso bekannt wie das Ergebnis: Ist der Neonazi-Vorfall einige Zeit vorbei, schläft die Diskussion still und unheimlich ein - bis zum nächsten Mal.
Doch nur weil diese Debatte so unsäglich ist, muss ein Verbot der NPD es noch lange nicht sein. Unglücklicherweise verschlingen sich dabei ganz verschiedene Argumentationsebenen zu einem Knäuel, das es zu entwirren gilt.
Da ist zum Ersten die Frage, ob sich die NPD aktiv darum bemüht, diese Demokratie zu stürzen. Angesichts der Äußerungen führender Kader sowie der Querverbindungen zu neonazistischen Kameradschaften scheint das mit einem klaren Ja beantwortet werden zu können.
ist Chef vom Dienst der taz.
Zweitens gehts um ganz praktische Fragen, als da wären: Müssen alle Spitzel abgezogen werden, damit das Verfassungsgericht einem Verbot zustimmt? Wer überwacht dann die Partei? Macht ein Verbot Sinn oder treibt es Neonazis erst recht in den Untergrund, wo sie noch gefährlicher werden könnten? Es gibt gute Argumente für beide Positionen.
Zudem muss jedem klar sein, dass ein Verbot an der Gesinnung von Rechtsextremen zunächst einmal nichts ändert.
Drittens wäre zu klären, ob es richtig ist, wenn eine Demokratie ihre fundamentalen Gegner verbietet. Oder ist es nicht gerade ein Wesenszug dieser Staatsform, auch deren Feinden ihre politische Willenskundgebung zu ermöglichen - allerdings nur solange keine Gesetze verletzt werden?
Die vierte Frage aber wird kaum gestellt: Wie steht es eigentlich um die Opfer? Wir wissen, dass NPD-Anhänger bevorzugt Minderheiten angreifen. Was potenziell bedrohte Migranten, Muslime, Nichtdeutsche, Juden oder Dunkelhäutige von einer frei agitierenden Neonazipartei halten, interessiert seltsamerweise wenig bis gar nicht. Weder finden dazu Anhörungen statt, noch wird sonst auf ihre Meinung eingegangen. Dabei sind die Positionen ihrer Verbände bekannt: Sie plädieren fast alle für ein Verbot.
Es ist an der Zeit, die Argumente der Verbände ernst zu nehmen. Und das heißt: Es spricht viel für das Verbot einer Partei, deren Existenz einen Teil der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes psychisch und physisch bedroht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos