Kommentar NPD-Verbot: Undurchdacht und populistisch
Die fixe Idee, zugelassene Parteien einfach aus der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen, ist nicht neu. Doch der Zweck heiligt nicht die Mittel.
S icherlich ist es ein "untragbarer Zustand, dass sich die NPD aus staatlichen Mitteln mit rund einer Million Euro im Jahr finanziere", wie CSU-Generalsekretär Dobrindt feststellte. Seine Folgerung daraus, demokratiefeindliche Parteien müssen von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden, zeichnet sich hingegen durch ein sehr fragwürdiges Demokratieverständnis aus.
Die fixe Idee, zugelassene Parteien einfach aus der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen, ist weder neu noch praktikabel. Bereits vor vier Jahren forderte der Innenminister in Niedersachsen, der Bundestagspräsident solle entscheiden, welche Parteien staatliche Gelder bekommen - und welche nicht.
Damit würde die Union gleich mehrere Ziele erreichen. Das lästige Bundesverfassungsgericht würde umschifft, die skandalöse V-Mann-Praxis kann fortgeführt werden und der Bundestagspräsident, nicht selten von CDU oder CSU gestellt, kann über das Geld für Parteien entscheiden. Wer sich nun noch daran erinnert, dass die CSU vor einigen Monaten ein Verbot der Linkspartei gefordert hatte, kann sich ungefähr ausmalen, wohin die Reise gehen könnte.
Patrick Gensing betreibt die Seite Publikative.org (ehemals npd-blog.info).
Entweder, die NPD wird rechtsstaatlich verboten, weil sie aggressiv-kämpferisch gegen die Verfassung arbeitet - oder sämtliche Scheindebatten über staatliche Maßnahmen müssen eingestellt werden. Ein Verbot der NPD auf "kaltem Wege" ist weder möglich noch begrüßenswert - auch wenn es die richtigen treffen würde. Der Zweck heiligt nicht die Mittel.
Der blanke Populismus wird dadurch besonders deutlich, dass die Christsozialen ihre Forderung noch nicht einmal juristisch geprüft haben. So kündigte Dobrindt an, die CSU-Landesgruppe wolle ein Verfahren zur Änderung des Grundgesetzes anstoßen. Die Frage stellt sich: Wer schützt die Verfassung gegen solche Angriffe auf Stammtischniveau?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind