Kommentar Moscheebau in Köln: Köln oder Ankara?
Die Türkisch-Islamische Union (Ditib) muss sich entscheiden, ob sie bereit ist zur Transformation hinein in die bundesdeutsche Gesellschaft.
E s herrscht Waffenstillstand im Streit über den Bau der Kölner Zentralmoschee. Aber er ist brüchig und nur dem Druck der Stadt zu verdanken. Ob es Exoberbürgermeister Fritz Schramma gelingt, die Türkisch-Islamische Union (Ditib) wieder zur Zusammenarbeit mit dem Architekten Paul Böhm zu bewegen, bleibt offen. Die Kölner müssen weiter mit der Angst vor einer Bauruine leben.
Konflikte zwischen Bauherrn und Architekten sind nicht unüblich. Zumal, wenn es um sehr viel Geld geht, wie auch beim Weltstadthaus des italienischen Stararchitekten Renzo Piano. Aber beim Moscheestreit geht es um mehr: Soll in Köln ein modernes, offenes islamisches Gotteshaus als sichtbares Zeichen des Angekommenseins entstehen - oder nicht?
Der neue Ditib-Vorstand ringt um eine Antwort, die sein konstruktiv agierender Vorgänger schon gefunden zu haben schien. Das hat mit der veränderten Großwetterlage in der Türkei zu tun. Dort fährt die Regierung zunehmend einen nationalistischen und islamischen Kurs. Und der hinterlässt auch in der Kölner Ditib-Zentrale Spuren, die immer noch als Außenposten Ankaras fungiert.
ist NRW-Korrespondent der taz.
Ditib muss sich entscheiden: Ist die mitgliederstärkste Migrantenorganisation Deutschlands bereit zur Transformation hinein in die bundesdeutsche Gesellschaft? Oder bleibt sie weisungsgebundene Filiale des Amtes für religiöse Angelegenheiten (Diyanet) der Türkei? In letzterem Fall verliert die Ditib ihre Existenzberechtigung.
Nicht nur weil sie Integration behindert. Sondern weil sie kein Ort mehr wäre für jene Muslime mit türkischer Zuwanderungsgeschichte, die längst weder "Gastarbeiter" noch "Ausländer" mehr sind. Ihr Bezugspunkt ist die Bundesrepublik - nicht die Türkei. Der weitere Verlauf des Kölner Moscheestreits wird zeigen, ob die Ditib bereit ist, diesen Weg mit zu gehen.
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