Kommentar Minarettbau: Die Moschee im Dorf lassen
Der Islam wird in Europa auch architektonisch immer sichtbarer. Doch in Deutschland sind antimuslimische Positionen bislang nicht mehrheitsfähig geworden.
Immer diese Muslime. Müssen die jetzt überall ihre Moscheen bauen? Und müssen die immer gleich ein Minarett haben? Das fragen sich viele Bürgerinnen und Bürger, wenn auch in ihrer Stadt oder an ihrem Ort ein solches Bauprojekt für Streit und Unruhe sorgt.
Der Islam wird in Europa auch architektonisch immer sichtbarer. Das verunsichert nicht nur Konservative, die um die Zukunft des christlichen Abendlands fürchten, sondern auch säkulare Linke und Liberale, ja sogar areligiöse Migranten. Doch die neuen Moscheen, die seit ein paar Jahren allerorten in Deutschland entstehen, sind kein Zeichen einer Art "islamischen Landnahme". Denn Muslime leben schon lange in diesem Land, ein Teil von ihnen war schon immer religiös. Erst in den letzten Dekaden aber haben sich viele entschieden, in Deutschland Wurzeln zu schlagen, und überdies einen gewissen Wohlstand erwirtschaftet. Diese muslimischen Mittelständler engagieren sich nun für repräsentative Gotteshäuser an ihrem Ort.
Daniel Bax ist Meinungsredakteur der taz.
Die Bürgermeister ihrer Städte oder Gemeinden stürzen sie damit in ein Dilemma. Einerseits begrüßen die es ja, wenn die örtlichen Muslime aus ihren Hinterhofgebetsräumen herauskommen und sich sichtbar in die Gesellschaft integrieren. Andererseits löst genau das bei einer alteingesessenen Bevölkerung Ängste aus, die von rechten Populisten genährt und ausgenutzt werden. Mit sogenannten Bürgerbewegungen machen sie gegen geplante muslimische Sakralbauten mobil und zetteln, wie jetzt etwa in Völklingen an der Saar, auf lokaler Ebene regelrechte Kulturkämpfe an.
Die meisten deutschen Bürgermeister - wie die meisten deutschen Politiker überhaupt - haben sich in diesen Konflikten bislang sehr verantwortungsbewusst gezeigt. Trotz Druck an der Basis, wo viele Wähler rein gar nicht von Moscheen in der Nachbarschaft begeistert sind, und obwohl manche Zeitungen regelrechte Anti-Islam-Kampagnen fahren, grenzt sich selbst die CDU bislang vom rechten Rand ab. Auch in der Union hält man sich an Wolfgang Schäubles Devise, der als Innenminister erklärte, der Islam sei "ein Teil Deutschlands".
Anders als in der Schweiz, Frankreich, Österreich oder den Niederlanden sind antimuslimische Positionen deshalb hierzulande bislang nicht mehrheitsfähig geworden. Solange das so bleibt, muss man sich um den sozialen Frieden in Deutschland keine Sorgen machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Aus dem Leben eines Landwirts
Gerhard versteht die Welt nicht mehr
Trump und Gazas Zukunft
Waffen oder Wohlstand
Elon Musks Hitlergruß
Entscheidend ist der Kontext
Trumps erste Amtshandlungen
Grauen in Hülle und Füller
Ulf Poschardts Buch „Shitbürgertum“
Willst du mein Freund sein?
Donald Trumps eigene Digitalwährung
Die Krypto-Box der Pandora ist offen