Kommentar Militärjustiz: Klima der Straflosigkeit
Deutschland hielt sich aus gutem Grund jahrzehntelang bei Militäreinsätzen zurück. Das ist nicht mehr durchhaltbar.
W enn Rechtspolitiker sich Gedanken darüber machen, welche Staatsanwaltschaft Vorwürfe gegen Soldaten im Auslandseinsatz prüft, ist das legitim. Etwas anderes ist es, wenn Verteidigungsminister schon die Möglichkeit der Strafverfolgung von Soldaten als unzumutbar ablehnen. Hier soll offenbar ein Klima der Straflosigkeit entstehen, in dem deutsche Truppen tun und lassen können, was sie wollen.
Als sich Franz Josef Jung vor wenigen Tagen als Verteidigungsminister verabschiedete, sagte er: Deutsche Soldaten, die im Ausland tätig sind, dürften nicht mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen konfrontiert werden. Sein Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg ist geschickter: Er akzeptiert, dass die Bundesanwaltschaft die Tötung von Zivilisten beim Angriff auf einen Tanklastzug in Afghanistan untersucht - und macht zugleich deutlich, dass er kein Interesse an einer ernsthaften Prüfung hat. Trotz aller Fehler hält Guttenberg den Bombeneinsatz ohne Vorwarnung für angemessen; nicht einmal ein internes Disziplinarverfahren sei zu erwägen. Wenn aber Völkerrecht und interne Isaf-Leitlinien nur auf dem Papier stehen, weil es keine Kontrolle und bei Verstoß keine Sanktionen gibt, entsteht faktisch ein rechtsfreier Raum.
Deutschland hielt sich aus gutem Grund jahrzehntelang bei Militäreinsätzen zurück. Das ist nicht mehr durchhaltbar, weil Militärinterventionen manchmal gerade zur Durchsetzung von Menschenrechten und zur Vermeidung größerer Kriege nötig sein können. Deshalb müssen jetzt auch effiziente und angemessene Strukturen rechtsstaatlicher Kontrolle aufgebaut werden. Nur: Wenn deutsche Verteidigungsminister dies nicht akzeptieren können, dann ist Deutschland noch nicht reif für internationale Verantwortung.
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