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Kommentar MilchpreisFalsche Interessen der Lobby

Kommentar von Hanna Gersmann

Der Milchstreik richtet sich auch gegen den Deutschen Bauernverband. Denn auf dem Lande rumort es auch, weil sich die Bauern von ihren Funktionären verraten fühlen.

E s ist nicht nur ein Kampf um die Milch, wenn die Bauern jetzt auf die Barrikaden gehen: Sie protestieren ebenso gegen ihre eigene Interessenvertretung, den Deutschen Bauernverband. Das klingt paradox, ist aber längst fällig. Denn auf dem Lande rumort es auch, weil sich die Bauern von ihren Funktionären verraten fühlen.

Sicher, Jammern über Politiker und Städter gehört bei Landwirten zum Geschäft. Doch diesmal haben sie recht. Da die Molkereien und Supermärkte die Preise ruinös senken, zahlen die Bauern bei der Milch drauf, statt an ihr zu verdienen. Und der Deutsche Bauernverband setzt dieser neuen Existenzkrise nichts entgegen.

Zugegeben, auch der Bauernverband hat vor einiger Zeit schon mal ein klein wenig mehr Geld für den Liter Milch gefordert. Doch den streikenden Landwirten hat er noch vor wenigen Tagen die Solidarität versagt. Der Verband hat seine Mitglieder stattdessen animiert, größere Mengen zu produzieren. Dieser Tipp jedoch allein reicht nicht, da die kleineren Betriebe so keine Chance haben. Mit der Groß- und Billigproduktion kann nicht jeder mithalten. Und nicht jeder will sie: Auch Städter lehnen die naturbereinigten Agrarfabriken ab, da sie sich am Wochenende lieber auf dem Dorf erholen.

Die Vertreter im Bauernverband haben so auch eher eigene Interessen als die ihrer Mitglieder vertreten. In dem Lobbyverein sitzt nämlich, wer groß im Agrobusiness ist. Der Vizechef und Zuständige für Milch, Udo Folgart, hat einen der großen Milchhöfe in Brandenburg. Präsident Sonnleitner war lange Zeit Aufsichtsrat der Deutschen Milchkontor GmbH, einer Organisation der Molkereien. Andere Bauernvertreter besetzen Posten etwa in der Nordmilch AG oder der Humana Milchunion.

Die Funktionäre sind der Industrie eng verbunden. Sie gestalten die fahrlässige Preispolitik der Molkereibosse mit - nach Gutsherrenart und zu Lasten des Einzelnen, der etwa auf einem kleinen Hof im süddeutschen Alpenland rackert. Der Aufstand der Bauern steht für eine notwendige Erkenntnis: Man muss sich von den Oberen nicht für dumm verkaufen lassen. Es ist gut, wenn die Milchbauern aus dem Verband austreten und sich neu organisieren.

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taz-Autorin
War von 2002 bis 2013 in der taz, leitete dort zuletzt das Inlandsressort. Jetzt gehört sie zum Büro die-korrespondenten.de im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin. Sie schreibt vor allem über Umwelt-, Verbraucher- und Wirtschaftspolitik.

2 Kommentare

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  • HM
    Hans Moll

    Kein Respekt vor der Arbeitsleistung der Bauern. Wenn Aldi, Lidl und Co. die Milchbauern mit Niedrigpreisen in den Ruin getrieben haben und die meisten pleite sind, ist Schluss mit lustig. Übrig bleiben ein paar große Lebensmittelproduktionskonzerne, an denen die Discounter natürlich maßgeblich beteiligt sind. Dann wird sich der Schnäppchenverbraucher von heute wundern, was ein Liter Milch plötzlich kosten kann. Die Agrar-Mafia bereitet heute schon den knappen Markt von morgen vor. Wie beim Strom und Gas, Angebot schön knapp halten, dann kann man auch jeden Preis fordern. Der Turbo-Kapitalismus ist noch lange nicht tot. Hat er doch mächtige Freunde in der Politik, die gerne mal mit ein paar Milliarden Steuergeldern aushelfen, wenn es irgendwo klemmt. Freuen wir uns auf eine schöne Zukunft in der auch noch die Trinkwasserversorgung privatisiert wurde. Dann haben wir alle wirklich die A....-Karte gezogen.

    Arme neue Welt.

  • KH
    Klaus Heitlinger

    Der Milchstreik ist ein Streik gegen die Marktwirtschaft. Wenn Demonstranten die Preise bestimmen und nicht mehr Angebot und Nachfrage, ist das für mich gegen unser Wirtschaftssystem. Die Preise sind nur gefallen, weil die Landwirte zuviel produziert haben und die Nachfrage gering er war. Ausserdem werden sich die Discounter das jetzt versprochene Geld wieder holen, keine Sorge.

     

    Der Streik hat aber noch eine strukturelle Auswirkung: Er schwächt die kleinen Betriebe in Süddeutschland, da im Norden und Osten der Republik nur auf dem Papier gestreikt wurde. Zudem wandern bei jeder Quotenauktion die Mengen aus Baden - Württemberg nach Schleswig - Holstein und Niedersachsen. Dort entstehen jetzt die zukunftsfähigen Betriebe, während die BDM - Ministrategen ihre Übermilch wegkippen, die Sie ohnehin wegen der Superabgabe nicht hätten bezahlt bekommen. Übrigens sind die Vorstände des Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) mit die grössten Überlieferer der Quote. Soviel zu den "neuen" Bauernfunktionären, die ihre Mitglieder über den Streik verzweckt haben.

     

    Wer in einem globalisierten Markt noch meint, Preise für generische Produkte lassen sich national steuern, hat die Marktwirtschaft nicht kapiert. Insofern ist die momentane Situation eine Folge einer falschen Agrarpolitik im Milchbereich der Politiker und des DBV (hier hat die Autorin ausnahmsweise Recht), die über Jahre die Bauern zu schlecht bezahlen Transferempfängern mit einer marktfernen Einstellung erzogen hat.