Kommentar Migrantenförderung: Reform statt Häppchenhilfe

Das Konzerne Stiftungen gründen und Migranten fördern hilft - wenn auch nur Wenigen. Und beweist: das Bildungswesen ist dringend reformbedürftig.

Vodafone hat die Migranten entdeckt. Nicht nur als neue Käufergruppe für Handys und Mobilfunkverträge, sondern auch als Stipendiaten. 30 Abiturienten aus Einwandererfamilien bekommen ein Studium an einer Privatuni finanziert; die neuen Stipendien wurden gerade mit viel Medienwirbel vergeben. Andere Unternehmenstiftungen, wie Hertie oder Bosch, fördern inzwischen einige hundert Migrantenkinder in der Schule. Das ist gut, aber angesichts der riesigen Probleme im deutschen Bildungswesen ist es fast nichts. Und so kann man der Bundeskanzlerin nur recht geben, die gestern nach einer öffentlichen Videokonferenz mit Microsoftgründer und Superspender Bill Gates die deutschen Stiftungen aufrief, sich von den US-amerikanischen eine Scheibe abzuschneiden.

Vor allem aber muss man die Kritik an die Politik zurückgeben. Denn das Engagement von Stiftungen ist besonders wichtig, weil die Politik bei der Bildung von Migrantenkindern so gnadenlos versagt hat. Das deutsche Bildungssystem fördert den Nachwuchs aus Migrantenfamilien nicht nur zu wenig, es verstärkt die ungleichen Chancen zwischen Kindern aus deutschen und eingewanderten Familien sogar. Das haben Pisa und andere internationale Vergleichsstudien eindrucksvoll belegt.

Dieses Problem können einzelne Stipendien nicht lösen. Hier ist eine grundlegende Reform des hiesigen Bildungswesens von der Kita bis zur Ganztags- und Gemeinschaftsschule gefragt. Diese geht mancherorts schleppend voran, andernorts gar nicht. Zu befürchten ist sogar, dass die Förderung von Migrantenkindern in der so entscheidenden frühkindlichen Bildung ganz aus dem Blick der Politik gerät. Denn bei der derzeitigen Debatte über den Ausbau von Krippen- und Kitaplätzen geht es vor allem um die quantitative Ausweitung des Angebots, die kostengünstig sein soll. Und das ist mit Tagesmüttern nun mal eher zu machen als mit gut ausgebildeten ErzieherInnen. Will man Migrantenkindern im hiesigen Bildungssystem aber eine Chance geben, müssen sie in den Kitas gezielt gefördert werden. In kleinen Gruppen und von Fachpersonal.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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