Kommentar Luftangriff Afghanistan: Der Anfang vom Ende
Es ist wahrscheinlich, dass der Freitag des Bombenangriffs als der Tag in Erinnerung bleiben wird, an dem die Bundeswehr in Afghanistan zu verlieren begann.
Noch ist unklar, ob bei dem Bombenangriff am Freitag in Kundus mehr Zivilisten als Aufständische getötet wurden und ob die Bundeswehr schwere Fehler begangen hat. Doch unabhängig davon offenbart der Vorfall ein schweres Dilemma für die Deutschen in Afghanistan.
Lange konnten sie sich darauf ausruhen, dass Deutschland in Afghanistan aufgrund langer historischer Verbindungen und abstruser Rassetheorien beliebter war als andere Nationen. Deutsche Diplomaten und Militärs haben diesen zweifelhaften Imagegewinn genutzt, um sich selbst und anderen einzureden, dass die deutsche Strategie im Norden erfolgreicher sei als etwa die der Amerikaner. Doch diese Lebenslüge verfängt nicht mehr. Seit die Sicherheitslage im Norden immer instabiler wurde, sind die meisten Afghanen der Meinung, dass die deutschen Soldaten vor allem in ihren Lagern sitzen, Bier trinken, fernsehen und ansonsten reichlich nutzlos sind. Das dürfte sich seit Freitag geändert haben.
Die Taliban werden erfolgreich ihre Propagandamaschine anwerfen, um den Menschen weiszumachen, dass "die Ausländer" alle Besatzer sind, die unschuldige Zivilisten ermorden. Und die vielen großen und kleinen Warlords, die sich mithilfe der ausländischen Truppen an der Macht halten und durch diese reich geworden sind, werden in den Chor einstimmen.
Denn auch diejenigen, die die Bundeswehr als "Verbündete" betrachten, tragen, wie man in Afghanistan sagt, "Schlangen im Ärmel". An einer Präsenz ausländischer Truppen, die vor allem den Einfluss der Zentralregierung in den Provinzen durchsetzen sollen, ist keiner von ihnen interessiert. Daher ist es wahrscheinlich, dass der Freitag als der Tag in Erinnerung bleiben wird, an dem die Bundeswehr in Afghanistan zu verlieren begann.
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