Kommentar Loveparade: Fatale Verkehrung der Realität

Duisburgs Stadtoberhaupt steht wie eine deutsche Eiche, 21 Tote hin, mehr als 500 Verletzte her. Es wäre ein Skandal, würde er es schaffen, im Amt zu bleiben.

Immer neue Details machen immer anschaulicher, was schon unmittelbar nach der Duisburger Loveparade offensichtlich war: Eine fatale Mischung aus Größenwahn, Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit hat zu dem schrecklichen Unglück geführt. Angefangen mit Oberbürgermeister Adolf Sauerland drücken sich die Verantwortlichen weiter um ihre Verantwortung, versuchen sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben. Es ist ein erbärmliches Schauspiel, was seit mehreren Wochen in Duisburg aufgeführt wird - und eine Verhöhnung der Opfer.

Da sei "so eine richtige bürgerliche Null-Bock-Generation entstanden", befürchtete die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth nach dem sofortigen Rücktritt Horst Köhlers sowie den angekündigten Demissionen von Roland Koch und Ole von Beusts. Was man auch immer Adolf Sauerland vorwerfen kann: das nicht.

Duisburgs Stadtoberhaupt steht wie eine deutsche Eiche, 21 Tote hin, mehr als 500 Verletzte her: Auch zwei Wochen nach der Katastrophe weigert er sich weiter beharrlich, sein Amt auch nur ruhen zu lassen. Es wäre ein Skandal, würde er es schaffen, im Amt zu bleiben. Allerdings könnte ihm dank der Grünen das Unfassbare tatsächlich gelingen. Indem sie sich mit fadenscheinigen Argumenten gegen seine Abwahl stemmt, demonstriert deren Duisburger Ratsfraktion ihre zynische Gleichgültigkeit gegenüber dem Geschehenen. Politische und persönliche Loyalitäten sind ihr wichtiger.

Allerdings stehen die örtlichen Grünen mit ihrer Unterstützung Sauerlands nicht alleine. Es mehren sich die Stimmen, die ihn in einer fatalen Verkehrung der Realität jetzt zum Opfer erklären. Statt die jeweilige Verantwortung zu klären, wird vernebelt: Weil viele für das Loveparade-Fiasko verantwortlich seien, dürfe nicht einer dafür verantwortlich gemacht werden, heißt es. Das jedoch würde in der Konsequenz bedeuten, dass niemand mehr Verantwortung übernehmen müsste. Was für eine billige Logik.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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