Kommentar Lohnerhöhung: Fordern kostet nichts
Von der Leyen hat angekündigt, sich für eine "allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze" einzusetzen. Längst ist klar, dass ihre Partei nur ein Flickwerk zulassen wird.
U rsula von der Leyen (CDU) ist mal wieder vorgeprescht. Die Bundesarbeitsministerin hat für die aktuelle Tarifrunde spürbare Lohnerhöhungen oberhalb der Inflationsrate gefordert. Und alle taten ihr den Gefallen und sprangen darauf an – in vorderster Reihe Unionskollegen und Parlamentarier aus der FDP. Sie mahnten zu Zurückhaltung und erinnerten daran, dass die Politik sich aus Tarifverhandlungen herauszuhalten habe. Nichts anderes aber hatte von der Leyen selbst klargestellt.
Sie bedient sich einer beliebten Figur: Pünktlich zu Jahresbeginn, wenn Tarifverhandlungen in diversen Branchen eingeläutet werden, fühlen sich Politiker bemüßigt, ihr Herz für die Arbeitnehmer zu entdecken. Es kostet ja nichts, einen kräftigen Schluck aus der Pulle zu verlangen, wenn man nicht dafür einstehen muss.
Das letzte Mal trommelte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) dafür, dass im XXL-Aufschwung mehr Lohn in die Taschen der Beschäftigten gehöre. Den Beschäftigten hilft das am Verhandlungstisch mit den Arbeitgebern wenig. Wohl aber den Politikern, die PR-Punkte einheimsen.
ist taz-Redakteurin für Soziales und Arbeitsmarkt im Ressort Inland.
Dabei könnte die Arbeitsministerin durchaus mehr für Beschäftigte tun: Würde sie stärker Druck machen für eine strengere Regulierung der Leiharbeit, könnte die gleiche Bezahlung von Leiharbeitskräften und Stammbeschäftigten näher rücken. Beim Thema Mindestlöhne hat sie zwar vollmundig angekündigt, sich "mit aller Kraft" für eine "allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze" noch in dieser Legislaturperiode einzusetzen. Doch längst ist klar, dass ihre Partei nur ein Flickwerk an bundesweit unterschiedlichen Mindestlohnhöhen zulassen wird.
Dagegen hatte sich die Ministerin nicht mit aller Vehemenz verwahrt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin