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Kommentar LitauenMutige Litauer

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

Die Litauer haben nicht nur ihre Regierung abgewählt, sondern sich auch einem Atomreaktorneubau verweigert. Das ist beeindruckend.

N ein, danke!“ Das sagten die litauischen WählerInnen am Sonntag mehrheitlich nicht nur bei der Volksabstimmung zum Projekt eines Atomreaktorneubaus. Nein sagten sie auch zum Sparkurs der bisherigen konservativen Regierung, der zu umfassenden Einschnitten in das Sozialsystem geführt hat.

Es interessiere ihn nicht, ob die EU und der IWF diese Politik begrüßten, brachte es ein nach seinem Votum im Fernsehen befragter Wähler auf den Punkt: Deren Vertreter hätten gut reden, sie müssten ja nicht in Litauen leben. Dass der für weite Kreise der Bevölkerung kräftig gesunkene Lebensstandard der Preis für den Beitritt des Landes zur Eurozone sein soll, erwies sich als kein überzeugendes Argument mehr.

Ist die Ablösung einer Regierung wegen Unzufriedenheit mit der von ihr geführten Sparpolitik mittlerweile in der EU ja eher zur Regel geworden, fällt Litauen mit seinem Atom-Nein durchaus aus dem Rahmen. Feierte die Atomlobby doch das im dortigen Visaginas geplante und auch von EU-Energiekommissar Günther Oettinger befürwortete Neubauprojekt als einen Beweis für die „Renaissance“ der Atomenergie in Europa.

Bild: privat
Reinhard Wolff

ist Skandinavien-Korrespondent der taz.

Tatsächlich schien es noch vor einigen Monaten wenig realistisch, diesen Bau stoppen zu können. Um so beeindruckender der Erfolg der Antiatomkraftbewegung, errungen gegen eine Regierung und Atomlobby, die vom Schönrechnen der Kosten bis zur Diffamierung der Atomkraftgegner als fünfte Kolonne Moskaus nichts ausließ, um ihre Pläne durchzudrücken.

Sicher, ob dieses Referendum das letzte Wort ist, sollte man nicht sein. Litauens politisches System hat sich in der Vergangenheit als zu korrupt erwiesen, als dass man den Versprechungen, sich an das „beratende“ Votum des Volkes halten zu wollen, wirklich trauen könnte. Die litauische Atomopposition wird weiterkämpfen müssen. Und bekommt dann hoffentlich die bislang weithin fehlende Unterstützung aus dem Westen.

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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4 Kommentare

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  • M
    Mindaugas

    Meinen Glückwunsch an die litauischen Wähler zur Ablehnung von Ignalina II

     

    Es ist mittlerweile so , daß die Menschen in Litauen wie die Fliegen an Krebs sterben ( Litauen bekam die Tschernobyl - Wolke direkt ab ) .

    Selbstverständlich werden Sie dieses in keiner offiziellen ( = korrupten ) Statistik nachlesen können . Ich sehe aber was in meiner Familie und bei Freunden , Nachbarschaft etc . in Litauen los ist .

     

    Soviele Krebstote sind nicht normal ! ! !

  • AC
    Albert Caspari

    "fehlende Unterstützung aus dem Westen" - das fängt aber schon beim mangelnden Interesse der deutschsprachigen Medien an, die TAZ eingeschlossen. Für Litauen interessiert sich kaum jemand, nur entweder im vermeintlich "großen Zusammenhang" (der EU, oder Osteuropas, oder Ex-Sowjetstaaten) und entlang platter Schlagzeilen zu Themen, wo man meint "nichts falsch machen zu können" (über Mängel bei der Aufarbeitung des Holocaust lässt sich leicht wohlfeil berichten).

     

    Der andere Teil der "fehlenden Unterstützung" liegt aber auch an mangelhaft geknüpften Kontakten der Litauischen Grünen Bewegung nach Deutschland (einzige Ausnahme: zur Gorleben-Demo fahrren inzwischen auch Litauer!). Aufgrund der schlechten Arbeitsmarktlage in Litauen sind viele junge Leute mit guten Deutschkenntnissen schon ausgewandert, oder wollen öffentlich lieber nicht auffallen. Es fehlen langfristige Projekte zwischen Deutschland und Litauen (auch im Umweltbereich), die nicht von Vorurteilen und vorgefassten Schablonen ausgehen, sondern neue Chancen zusammen entwickeln.

  • AC
    Albert Caspari

    "fehlende Unterstützung aus dem Westen" - das fängt aber schon beim mangelnden Interesse der deutschsprachigen Medien an, die TAZ eingeschlossen. Für Litauen interessiert sich kaum jemand, nur entweder im vermeintlich "großen Zusammenhang" (der EU, oder Osteuropas, oder Ex-Sowjetstaaten) und entlang platter Schlagzeilen zu Themen, wo man meint "nichts falsch machen zu können" (über Mängel bei der Aufarbeitung des Holocaust lässt sich leicht wohlfeil berichten).

     

    Der andere Teil der "fehlenden Unterstützung" liegt aber auch an mangelhaft geknüpften Kontakten der Litauischen Grünen Bewegung nach Deutschland (einzige Ausnahme: zur Gorleben-Demo fahrren inzwischen auch Litauer!). Aufgrund der schlechten Arbeitsmarktlage in Litauen sind viele junge Leute mit guten Deutschkenntnissen schon ausgewandert, oder wollen öffentlich lieber nicht auffallen. Es fehlen langfristige Projekte zwischen Deutschland und Litauen (auch im Umweltbereich), die nicht von Vorurteilen und vorgefassten Schablonen ausgehen, sondern neue Chancen zusammen entwickeln.

  • C
    Christian

    Litauen ist (noch) nicht in der Eurozone.