Kommentar Linkspartei: Das Risiko des Erfolgs
Nach der Kurskorrektur von der SPD zeigt sich, welch ein fragiles Konstrukt die Linke ist. Damit die verschiedenen Strömungen zu einer brauchbaren Partei werden, braucht die Linke Zeit.
Stefan Reinecke, 48, lebt in Berlin- Kreuzberg, war früher Redakteur der taz-Meinungsseite und ist seit fünf Jahren Autor der taz. Er beschäftigt sich vor allem mit Innenpolitik, Parteien und Geschichtspolitik.
Der Linkspartei geht es scheinbar blendend. In Umfragen liegt sie bei 10 Prozent. Ihre Aussichten, in Hamburg und Hessen in die Parlamente einzuziehen, sind nicht übel. Ihr größter Erfolg ist es allerdings, der Beck-SPD zu einer längst überfälligen Kurskorrektur verholfen zu haben. Spätestens seit Schröders Agenda 2010 redet die SPD-Elite mit ihrem Reformdiskurs weitgehend an der eigenen Basis vorbei. Das hat der SPD das Paradox beschert, in einer Gesellschaft, die zusehends sozialdemokratisch denkt und fühlt, eine Wahl nach der anderen verloren zu haben. Sie kann der Linkspartei also sogar dankbar sein, dass diese sie gezwungen hat, aus Schröders Schatten zu treten.
Für die Linkspartei bergen ihre Erfolge der letzten Zeit allerdings auch Risiken. Oskar Lafontaine, der seine Machtposition in der Parteizentrale derzeit sukzessive ausbaut, fährt gegen die SPD unter Kurt Beck einen unvermindert scharfen Abgrenzungskurs. Damit will Lafontaine offenbar die eigene Anhängerschaft gegen die Verlockungen einer nach links blinkenden Sozialdemokratie immunisieren. Doch der Preis dafür ist hoch: Es wirkt rechthaberisch, sogar sektiererisch. Und weitsichtig ist es jedenfalls nicht, den einzigen möglichen Koalitionspartner der Linkspartei zu prügeln, weil er zögerlich das zu tun beginnt, was man von ihm forderte.
So scheint die Beck-Wende der Sozialdemokraten den internen Riss in der Linkspartei zu vergrößern. Während Lafontaine auf die SPD eindrischt, visieren die Reformer im Osten weitere Koalitionen mit der SPD an.
Die Linkspartei ist, das wird von ihrer effektvoll inszenierten Erfolgsgeschichte oft überblendet, noch ein ziemlich fragiles Wesen. Keine andere Partei vereint so vieles, was eigentlich nicht zusammengehört: Pragmatiker, linke Sozialdemokraten, kommunistische Dogmatiker und vor allem im Westen eine teilweise politikunfähige Basis. Damit daraus eine brauchbare Partei werden kann, braucht die Linkspartei vor allem Zeit. Zeit, die sie vielleicht gar nicht hat, wenn sie sich an der Frage entzweit, ob sie die SPD von Kurt Beck denn nun bekämpfen oder umarmen soll. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Partei an ihren eigenen Erfolgen scheitert.
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