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Kommentar LinksparteiMachtkampf als Chance

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Linkspartei implodiert und scheint keine Rolle zu haben. Dabei wird sie gebraucht: Als einzige Partei vertritt sie die Interessen des unteren Fünftels in Deutschland.

D ie Linkspartei scheint sich im freiem Fall zu befinden. Im Westen verliert sie Wahlen, manche Genossen sind frustriert zur SPD zurückgekehrt. Der interne Machtkampf lähmt die Partei seit Monaten. In Nordrhein-Westfalen hat die Linkspartei gleichermaßen viel an die Piraten und an die SPD verloren. Sie scheint weder als Protestpartei noch als linkes Korrektiv zu Rot-Grün gefragt zu sein. Brauchen wir die Linkspartei noch?

Vielleicht war sie im Westen nur ein Übergangsphänomen, ein langsam verhallendes Echo der Zerstörungen, die Gerhard Schröder in der Sozialdemokratie angerichtet hat. Wäre es da nicht besser, wenn die Partei sich nun im Clinch zwischen Dietmar Bartsch und Oskar Lafontaine selbst zerlegen würde? Damit Rot-Grün Chancen hat, eine Regierung links der Mitte zu bilden, und sich die Selbstblockade der deutschen Linken endlich löst?

Das mag angesichts der miesen Performance der Partei naheliegen. Aber so ist es nicht. Die Linkspartei wird gebraucht. Es gibt bei Wahlen eine dramatische, aber kaum beachtete Entwicklung. Das untere Fünftel steht nicht nur gesellschaftlich im Abseits, es geht auch immer seltener zur Wahl. Diese Repräsentationskrise ist eine Gefahr für die Demokratie. Sie wird noch größer, wenn die einzige Partei, die, wenn auch oft mit schrillem Moralismus, die Interessen der Unterschicht vertritt, verschwindet.

Bild: taz
Stefan Reinecke

arbeitet im Parlamentsbüro der taz.

Zweitens: Die SPD mag derzeit links blinken, an ihrer Ausrichtung ändert das nichts. Sie ist die Partei der Bildungsaufsteiger geworden, mit wenig Ausstrahlung nach unten. Was Hannelore Kraft in NRW gelang, nämlich die Neue Mitte mit menschlichem Antlitz zu verkörpern, das wird Steinbrück oder Steinmeier 2013 kaum glücken – auch nicht, wenn die Linkspartei implodiert.

Entscheidend ist, wie die Linkspartei nun diesen Machtkampf managet. Findet sie eine Lösung, die nicht bloß, wie sonst oft, ein halbgarer Kompromiss ist? Im Westen gibt es vorsichtige Lockerungsübungen, die zeigen, dass eine unverkrampfte Emanzipation vom übermächtigen Oskar Lafontaine möglich ist.

Die Linkspartei kann weiblicher, jünger, weniger ideologiesteif und angewiesen auf die Abgrenzung von der SPD aus dieser Krise hervorgehen. Oder sie kann in einem Grabenkampf mit sich selbst versinken. Dann wird sie, was sie 2005 war: PDS mit Westkontakten. Alles ist möglich. Es ist eine Chance. Viele wird sie nicht mehr bekommen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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12 Kommentare

 / 
  • P
    Partizanka

    Was sind denn die "Interessen der Unterschicht" ? Ihr Wachstum? Geht es den Menschen in er Unterschicht tatsächlich besser, wenn es möglichst viel Unterschicht gibt? Man schaue sich doch einmal an, wie in modernen westlichen Gesellschaften Unterschichten entstehen und wie Menschen in die Unterschicht geraten. Macht die Linkspartei hier wirklich ein Politik, die die Anzahl der von Unterschicht-Problemen Betroffenen reduziert? Ich denke nicht.

  • S
    Stronzia

    @ Snoopy

    Lesen Bildet,definitiv!

    Die Linkspartei hat ihre eigenen Probleme das ist wohl wahr.Allerdings kann man ihr nicht unterstellen gar nichts zu unternehmen oder beim Demokratieabbau zuzusehen.

    Wo war die linke in der Eurokrise?Wo war sie wo es um Die Milliardenrettungen der Banken ging?Wo war sie als es wie jetzt in Frankfurt um die Aufgabe sämtlicher Persönlichkeits- und Freiheitsrechte gegangen ist?

    Sie sollten mehr lesen Snoopy.Herr Reinecke basht eh immer gegen die Partei als "die Grünen" - Hausblatt Verteidiger.

    Die Partei "die Linke" war in all den von ihnen angesprochen Punkten täglich im Parlament,hat Anträge eingereicht,kleine Anfragen gestellt und diese Themen überhaupt erst zur Sprache gebracht bevor es zu der heutigen Eurokrise kam.Die Mechanismen des Kapitalmarkts sind ja auch vorraussehbar.Sie hat immmer davor gewarnt und bietet als EINZIGE Partei noch eine Oppositionsfront.Die bei Abstimmungen fast immer alleine dasteht, da die bürgerlichen Parteien ihr immer in den Rücken fallen und "Regiereungsfähig" bleiben wollen.

    Schauen sie sich auf der Online Seite des deutschen Bundestages um und suchen sie nach : " aktuelle Stunde Bundestag", dort finden sie ein Archiv über längere Sitzungen wo hitzig debattiert wird/wurde über diese Themen.

    Die Linke hat desweiteren auch gegen das Frankfurter Demonstrationsverbot geklagt.

    Bitte machen sie sich vorher etwas schlauer bevor sie wie Herr Reinecke mit einem fest verankertem Weltbild polemisieren!

  • P
    Pfingststimme

    Wahrlich ich sage euch, wenn Frau Schwaben-dissen die Parteispitze besetzt, bekommt die Linke in Berlin die absolute Mehrheit.

     

    Jetzt aber mal Scherz beiseite. Mit dem Alte Säcke Triumvirat an der Spitze - von dem man jetzt schon Wetten abschließen kann wer wen meuchelt - ist die SPD unwählbar.

     

    Ebenso wie die Grünen in dieser ihrer 98er Besetzung mit dieser ihrer Opportunisten Politik.

     

    Rot-Grün mit diesem Personal steht inzwischen für eine Schröder/Clement/Fischer - Politik der blanken Messer und sowas wählen nur Selbstmörder.

     

    Wenn also die Linke mit neuer Kraft daherkommt ist sie absolut wählbar.

  • A
    Augenwischer

    Der Wähler hat lieber 'ne Tussi, die ständig Frohsinn ausstrahlt-, aus dem einzigen Grund weil sie regieren darf. Das hat mit Zuversicht wenig zu tun.Der Wähler soll das glauben,damit man sie wiederum wählt. Die Frau hat nur Karriere gemacht, weil sie schön demütig ergeben gedient hat. Denn das Kalkül: Bin ich erst mal oben, dann mach ich sowieso was ich will. Wie beim Bund: Halt die Schnauze, dann bringst du es zu was. Hat man dadurch was erreicht, schickt man später Menschen in den Tod. Erst kriechen, dann treten. Das sind die Wege des Karrieristen. Und die Linke-, die wird gebraucht wie nie-, aber die wählt keiner, weil selbst das "niedere Volk" dem Kapital schon die Macht zugestanden hat. Nur weil unsere Büttel zu feige sind, sollte man nicht glauben, dass es unmöglich wäre diesem Treiben des Desperado-Kapitalismus ein Ende zu setzen. Jetzt werden sich wieder einige Arschkriecher aufregen-, aber das ist mir schnuppe.

  • HM
    Hein Mück

    "Als einzige Partei vertritt die Linke die Interessen des unteren Fünftels in Deutschland." Wenn das so ist, wer sagt das denn mal dem "unteren Fünftel"? Die "taz" wird dort doch wohl kaum gelesen!

  • P
    PhyshBourne

    die linke vertritt definitiv nicht die unteren 20% – sondern allein sich selbst…

  • R
    reblek

    "Die Linkspartei scheint sich im freiem Fall zu befinden." - So ähnlich wie das Deutsch von Herrn Reinecke mit doppeltem Dativ?

    "Brauchen wir die Linkspartei noch?" - "Wir"? Ich kann mich nicht erinnern, dass Herr Reinecke diese Partei je gebraucht hätte - außer, um auf ihr herumzunacken.

    "... das wird Steinbrück oder Steinmeier 2013 kaum glücken – auch nicht, wenn die Linkspartei implodiert." - Schöne doppelte Verneinung: Das wird ... auch nicht kaum glücken.

    "Entscheidend ist, wie die Linkspartei nun diesen Machtkampf managet." - Ein Blick in den Duden würde nicht schaden: "managt".

  • S
    seyinphyin

    Nicht die Linke, Deutschland ist im freien Fall, weil wir uns an ein zum Untergang verdammtes System klammer, das in sich selbst zusammenstürzt, wozu es von Anfang an bestimmt war.

     

    Deswegen ist die Panik enorm, bei den Priestern dieser Religion des Wahnsinns, die sich Politiker und Wirtschafstweise nennen, bei deren Propheten, die da Medien heißen, bei deren Tempelwächtern, die überall das heiligen Münzen mit immer größerer Gewalt eintreiben wollen.

     

    Das System schlägt um sich und wehrt sich gegen alle Vernunft, was sich natürlich auch auf alle Gläubigen überträgt.

     

    Erkennen diese noch, dass man gegen die Realität nicht ankämpfen kann, werden sie noch aufwachen und mit Vernunft den Übergang leiten. Wenn nicht, wird der Umbruch einfach umso brutaler.

     

    Und das ist weniger eine Prophezeiung, als eine Analyse der Gegenwart, gepaart mit den Erfahrungen, die man aus den Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte ziehen kann, in denen Systeme wie der Kapitalismus nun wirklich keine Seltenheit sind und immer das gleiche Ende nahmen.

  • M
    Maria

    Die Linkspartei wird von mindestens 80 % der deutschen Bevölkerung gebraucht und nicht nur vom

    "unteren Fünftel".

     

    Denn fast alle Menschen können "dank" der unsozialen Hartz IV- und Agenda 2010 - Reformen von SPD und Grünen heutzutage ganz schnell im Hartz-IV-Bezug landen. Und die RentnerInnen landen immer öfter in der Altersarmut "dank" der Rente erst mit 67. Während es gleichzeitig für die meisten spätestens ab 40 Jahren keine Arbeit gibt, außer Minijobs, von denen niemand leben kann (auch hierfür. "Danke" Rot-Grün! Warum weist wohl Rot-Grün in der Opposition nicht konsequent darauf hin, dasss die Arbeitslosenstatistik massiv gefälscht ist? Weil sie so tun, als hätten sie seit der eEinführung von Hartz Iv etc. ein Beschäftigungswunder gechaffen. Dabei haben sie nur viel mehr Armut in Deutschland geschaffen!)

     

    Wirklich lebenslang sicher vor dem Abstrurz in die Armut und prekäre Arbeit sind heute höchstens noch Beamte und Angestellte, die über 15 Jahre angestellt und so gut wie unkündbar sind und die ihre Arbeit behalten.

     

     

    ARTIKEL-ZITAT:

    "Die Linkspartei wird gebraucht. Es gibt bei Wahlen eine dramatische, aber kaum beachtete Entwicklung. Das untere Fünftel steht nicht nur gesellschaftlich im Abseits, es geht auch immer seltener zur Wahl."

     

    Was ist bitte Hannelore Krafts Verkörperung der "Neuen Mitte mit menschlichem Antlitz" ??? (ZITAT ARTIKEL

     

    Frau Kraft hat meines Wissens im Wahlkampf nur hohle Phrasen von sich gegeben (Marke: Mein Herz schlägt für NRW). Das "menschliche Antlitz" fehlt in ihrer Politik genauso massiv wie bei den 3 Herren Wahlverlierern Gabriel, Steinmeier und Steinbrück.

     

    Die SPD ist von ihrer faktischen politischen Agenda her immer noch eine neoliberale Partei. Ein bischen Symphatie-Getue wie von Frau Karaft ändert nichts an der unsozialen Politk der Partei: Die SPD will weder Hartz IV, noch die Rente mit 67 abschaffen. Auch der Mindstlohn mit 8,50 Euro ist viel zu niedrig - davon könnte man selbst bei über 40 Jahren Vollzeitarbeit keine Rente über Grundsicherungsniveau erwirtschaften, von der man leben kann.

     

    Die Linke ist entstanden, weil die SPD ab 1998 neoliberal geworden ist und ihre sozialdemokratischen Grundsätze verraten hat.

     

    Die Linke wird dringend gebraucht. Allerdings solten nicht die Ost-PragmatikerInnen die Herrschaft in der Partei gewinnen, denn das es den kleinen Leuten nichts nutzt, wenn die dominieren, hat man in 10 Jahren Rot-Rot-Regierung auf Berliner Landesebene gesehen. Die Politik der Linken unter dem SPD-Koalitionär Wowereit hat den kleinen Leuten da so gut wie nichts gebracht.

     

    Solche Erfahrungen führen eher zu Wahlstimmenverlusten bei der Linkspartei, als die innerparteilichen Machtkämpfe. Denn diese machtkämpfe gibt es in allen Parteien. Ich erinnere z.B. an die Selbstzerfleischung der Grünen nach der Berliner Wahl 2011.

  • N
    Narit

    @Snoopy....wo warst Du als überzeugter Linker denn die ganze Zeit? Vorm Internet? Komm mal morgen zur Demo nach Frankfurt, da wirst Du soviele Linke sehen, dass Du vielleicht nur noch rot siehst. Wir sind verankert in den sozialen Bewegungen, wir sind aber nicht in der Lage aufgrund so weniger in den Parlamenten auch unsere Anträge durchzubekommen. In vielen Bezirksvertretungen sitzen sehr wenige von uns gegen 30 andere, es gibt noch nicht mal das Recht einen Antrag zu stellen, das ist vom Goodwill des jeweiligen Bezirksbürgermeisters abhängig. Natürlich müssen wir auch endlich mal anfangen die Basis aufzubauen, aber wir hier in NRW sind wirklich nur von einem Wahlkampf in den nächsten geschlingert.

  • S
    Snoopy

    Die Linkspartei ist selber schuld an ihrem kommenden Untergang. Das sage ich als überzeugter Linker. Wo war der massive Aufschrei, als in einer Nacht u. Nebel Aktion den Zockerbanken 500 Milliarden zugeschanzt wurden? Wo waren die Linken bisher in Sachen Eurokrise? Fehlanzeige! Wo sind sie jetzt grade wieder, wo Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit und Demonstraionsrecht mit Fuessen getreten werden? Wieder Fehlanzeige. Wer so letargisch agiert und statt dessen Dauermachtkämpfe abliefert, wird untergehen!

  • U
    Ute

    Mir scheint der Autor Bildung mit Einbildung zu verwechseln.

    Von daher ist ihm nicht geläufig, was im Interesse aller Menschen sein müßte.