Kommentar Linkspartei nach Wahlschlappe: Wir haben nichts verstanden
Die Niederlagen der Linkspartei sind kein Zufall. Sie zeigen ein strukturelles Problem. Wenn beim Sozialprotest gerade Flaute ist, bleibt die Linkspartei im Trockendock.
D ie Linkspartei hat die Wahlen in Stuttgart und Mainz verloren. Die Westausdehnung, die bisher wie von selbst zu funktionieren schien, stockt. Landtagsfraktionen sind oft Motor der Professionalisierung der jungen Partei im Westen - das fällt in Stuttgart und Mainz nun aus.
Bemerkenswert ist, welchen Schluss die Parteispitze in Berlin aus dieser Niederlage zieht: keinen. Das Atomthema habe alles andere verdrängt, da kann man leider nichts machen, so tönen Klaus Ernst und Gesine Lötzsch. Wenn Parteiführer sich zum Opfer der Verhältnisse deklarieren, muss man immer misstrauisch sein. Fukushima ist höchstens der halbe, bequeme Teil der Antwort.
Die Niederlagen der Linkspartei sind kein Zufall. Sie zeigen ein strukturelles Problem: Die Linkspartei ist im Westen nur erfolgreich, wenn sie auf Anti-Rot-Grün und Sozialproteste setzen kann. Wenn bei Sozialprotest gerade Flaute ist, wie in Baden-Württemberg, und Rot-Grün im Trend liegt, bleibt die Linkspartei im Trockendock. Um auch für Linksliberale interessant zu sein, müsste sie - über ihren Markenkern Soziales hinaus - bei mehr Themen kompetent sein. Doch sie ist auf die Abgrenzung geeicht, ihr fehlt es an eigenem Gewicht.
STEFAN REINECKE ist Redakteur im Berliner Parlamentsbüro der taz.
Die Linkspartei-Spitze möchte mit solchen kniffeligen, strategischen Problemen aber lieber nicht behelligt werden. Zur Erinnerung: Auch in Hamburg gelang der Sprung über die fünf Prozent eher gegen Berlin - damals hielt Lötzsch es für klug, die Vokabel "Kommunismus" wiederzubeleben. In der Linksparteizentrale herrschen halsstarrige Realitätsverleugnung und intellektuelle Unbeweglichkeit.
Diese Symptome kennt man von müden, abgewirtschafteten Regierungsparteien - von vitalen, aufstrebenden linken Oppositionsparteien eher nicht. Sogar Guido Westerwelle hielt es nach der FDP-Schlappe für nötig zu signalisieren, man habe die Botschaft der Wähler verstanden. Die Spitze der Linkspartei ist noch nicht so weit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs