Kommentar Linke Landesregierungen: Gespenst Rot-Rot-Grün
Rot-Rot-Grün wird nicht an inhaltlichen Differenzen scheitern. Es sind persönliche Animositäten und Vermessenheit bei SPD und Grünen, die solche Koalitionen in den Ländern verhindern.
Die Lage hat etwas Ironisches. Rot-Rot scheint als Gespenst, mit dem die Bürgerlichen ihre Klientel in Angst und Schrecken versetzen konnten, ausgedient zu haben. Es gibt auch handfeste Mehrheiten für Rot-Rot-Grün - und doch scheinen linke Landesregierungen irreale, flüchtige Möglichkeiten zu bleiben. Gespenster, noch immer.
In Thüringen droht Rot-Rot an Kleinmut zu scheitern, in Saarbrücken an persönlichen Ränken und zaudernden Grünen. In Erfurt ist mit dem Rücktritt von Dieter Althaus eine Koalition von SPD und CDU wahrscheinlicher geworden. Ohne den autokratischen Althaus fällt es der SPD leichter, zu tun, was Christoph Matschie sowieso will: Juniorpartner der CDU werden.
Stefan Reinecke ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.
Althaus Rücktritt ist ein direktes Angebot an die SPD. Zwischen ihr und der Linkspartei türmt sich indes ein Hindernis auf, das von Tag zu Tag größer wird: die Ministerpräsidentenfrage. Die SPD hat im Wahlkampf versprochen, keinen Linksparteipolitiker zum Ministerpräsidenten zu wählen. Das war nicht klug - aber sie muss nun dabei bleiben. Offenbar will sie aber noch mehr. Sie will die Linkspartei zwingen, Matschie zu wählen. Einen unabhängigen, dritten Kandidaten hat die SPD jedenfalls brüsk abgelehnt. Sie zielt nicht auf Kompromiss, sondern auf Kapitulation. Dies ist kühn, nein vermessen, wenn man bedenkt, dass noch nicht mal jeder fünfte Thüringer Matschie gewählt hat.
Matschies Kalkül ist, sich lieber für das Bekannte als das Neue zu entscheiden. Es stimmt: Rot-Rot mit einem parteilosen Ministerpräsidenten wäre eine Fahrt ins Ungewisse. Doch die Koalition mit der Union ist für die SPD nur auf den ersten Blick ungefährlich. Sachsen zeigt, was der Sozialdemokratie nach einem Bündnis mit der CDU blühen kann: der langsame, unspektakuläre Abstieg ins Nichts.
Und im Saarland? Man muss wohl ein intimer Kenner der innergrünen Querelen der letzten 20 Jahre sein, um dort den Überblick zu behalten. Ob die Saar-Grünen imstande sind, rational und verlässlich eine Heiko-Maas-Regierung zu unterstützen, ist jedenfalls zweifelhaft.
Noch kann es jähe Wendungen geben. Sicher ist: Rot-Rot-Grün wird nicht an inhaltlichen Unverträglichkeiten scheitern. Die Übereinstimmungen sind, vor allem bei der Bildung, unbestreitbar. Rot-Rot-Grün wird wenn an kleinteiligem Machtgezänk und Querelen scheitern. Ein bisschen gespenstisch ist das schon.
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