Kommentar Libyen und Elfenbeinküste: Zweierlei Maß in Afrika
Aus afrikanischer Sicht ist nicht akzeptabel, dass die Welt in Libyen aktiv wird, aber in der Elfenbeinküste einen ebenso brutalen Machthaber gewähren lässt.
D ass Afrikas Kriege auf der Welt weniger Aufmerksamkeit finden als andere, daran sind Afrikaner gewohnt. Sich mit zweierlei Maß beim Eingreifen auf dem Kontinent abzufinden, kann man allerdings von Afrika nicht erwarten. Afrikas Zustimmung galt als eine Grundlage der Legitimität internationaler Militärschläge gegen Gaddafis Militär in Libyen.
Nun ist ein Umschwenken zu erkennen. Die Afrikanische Union fordert Verhandlungen und humanitäre Korridore als Alternative zum Schutz der libyschen Bevölkerung. Aus afrikanischer Sicht ist nicht akzeptabel, dass die Welt in Libyen aktiv wird, aber in der Elfenbeinküste einen ebenso brutalen Machthaber gewähren lässt.
Die ivorische Krise hat eine Million Menschen in die Flucht getrieben und hunderte Tote gefordert. In der größten Stadt Abidjan beschießt das Militär des abgewählten Präsidenten Laurent Gbagbo oppositionelle Stadtviertel mit schweren Waffen, es gibt Berichte von gezielten ethnischen Morden, von Milizengründungen und von Todeslisten.
DOMINIC JOHNSON ist Afrika-Redakteur der taz.
Der Sieger der Präsidentschaftswahl vom November 2010, Alassane Ouattara, ist von der ganzen Welt als Präsident anerkannt, muss sich aber verstecken. UN-Soldaten sind vor Ort, werden aber massiv behindert. Die Lage ist der in Ruanda vor dem Völkermord 1994 zum Verwechseln ähnlich. Eine eindeutigere Grundlage für ein Eingreifen zugunsten einer demokratisch gewählten Regierung ist kaum denkbar.
Es wäre fatal, wenn die Intervention gegen Gaddafi jetzt dazu führt, dass sich niemand um die Elfenbeinküste kümmert. Nicht nur wäre dann der ivorische Genozid programmiert. Auch die Libyen-Intervention wäre zum Scheitern verurteilt, denn Afrika würde sich enttäuscht abwenden und Gaddafi hätte seinen Hinterhof wieder im Griff. Die Zeit der Gewaltherrscher muss enden. Überall.
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