Kommentar Lebenmitel-Imitate: Starker Auftritt, wenig Wirkung
Ernährungsministerin Aigner könnte und müsste mit einer nationalen Vorschrift für Klarheit auf den Verpackungen sorgen. Doch davon ist sie weit entfernt.
Sogenannte Schokokekse ohne Schokolade, aus Fischeiweiß geformte "Garnelen" oder "Vanilleeis" ohne echte Vanille - das sind klare Fälle von Käufertäuschung, die die Verbraucherzentrale Hamburg nun angeprangert hat. Das passt zu der Kritik von Ernährungsministerin Ilse Aigner an anderen Lebensmittelimitaten wie Analogkäse oder Schinkenersatz. Doch außer wohlfeilen Worten hat die CSU-Politikerin nichts Wirkungsvolles gegen diese Missstände unternommen.
Dass Aigner im Ernstfall stets den Interessen der Ernährungsindustrie nachgibt, zeigte sie zum Beispiel in der Debatte über die besonders lange haltbare ESL-Milch. Der Handel jubelt den Verbrauchern diese "Extended shelf life"-Milch als vermeintliche Frischmilch unter - dabei ist sie so erhitzt, dass sie gekühlt bis zu vier Wochen hält. Viele Verbraucher fühlen sich geneppt und klagen über einen Kochgeschmack der ESL-Milch. Was macht die Ministerin? Sie initiiert eine "freiwillige Selbstverpflichtung" von Molkereien und Handel, die Packungen künftig mit dem Zusatz "länger frisch" zu versehen. Die abschreckende, aber wahrheitsgemäße Kennzeichnung "ESL" kann weiter fehlen.
Ähnlich zahnlos geht Aigner gegen die missverständlichen Verpackungsaufdrucke von Schinken aus Pressfleisch und Käse aus Pflanzenfett vor. Sie greift diese Praxis zwar in für ihre Verhältnisse scharfen Worten an. Die Ministerin hat sich sogar schon in Brüssel für eine klarere Kennzeichnung eingesetzt. Aber es kann dauern, bis sie dafür auf EU-Ebene eine Mehrheit findet. Der Verdacht liegt nahe, dass Aigner das Problem nach Europa abschieben will, um ihren Unterstützern in den Konzernen nicht auf die Füße treten zu müssen. Aigner könnte und müsste mit einer nationalen Vorschrift für Klarheit auf den Verpackungen sorgen. Doch davon ist sie weit entfernt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss