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Kommentar LandärztemangelPlacebo mit Nebenwirkungen

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Der Vorstoß des Gesundheitsministers ist erneut saubere Klientelpolitik: Die ohnehin schon gut verdienenden Ärzte bekommen noch mehr Geld.

D er Landärztemangel in vielen Regionen ist seit Langem bekannt, er wird von Jahr zu Jahr dramatischer. Es muss sich schleunigst etwas ändern. Aber hilft das "Versorgungsstrukturgesetz", an dem vor Daniel Bahr schon andere GesundheitsministerInnen herumgedoktert haben, das Problem zu lösen?

Sicher werden so ein paar Ärzte ermuntert, aufs Land zu ziehen - vor allem solche, die dort geboren sind und in ihre Heimat zurückwollen. Manche Regionen locken junge Medizinstudenten bereits mit Sonderstipendien und anderen Vergünstigungen. Aber die Masse wird sich nach wie vor in Städten nach freien Stellen und Praxen umsehen.

Denn junge Ärztinnen und Ärzte haben häufig eine Familie, mit Kindern und vielen Wünschen - nach umfassender Kinderbetreuung, einem sozialen Umfeld (auch für die Kinder), guten Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und kulturellem Leben. All das gibt es in vielen ländlichen Gegenden zu wenig oder gar nicht.

Bild: privat
SIMONE SCHMOLLACK

ist taz-Redakteurin für Geschlechterpolitik.

Das neue Gesetz erlaubt den jungen Ärzten nun zwar, in der Stadt zu wohnen und auf dem Land zu arbeiten. Das aber bedeutet lange Fahrtwege und weniger Zeit für die Familie. Und welche junge Frau oder welcher junge Mann möchte heute mit aufs Land ziehen, wenn der Partner Arbeit hat, man selber dort aber keinen Job findet? Das Landarztproblem ist im weitesten Sinne ein Landstrukturproblem. Und das wird ein Gesetz wie dieses kaum lösen können.

Unterm Strich bleibt die Erkenntnis, dass der Vorstoß des Gesundheitsministers erneut saubere Klientelpolitik ist: Die ohnehin schon gut verdienenden Ärzte bekommen noch mehr Geld. Und die Kosten, die das Gesetz verursacht, tragen die Patienten - über höhere Krankenkassenbeiträge und höhere Zusatzversicherungen.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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8 Kommentare

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  • KM
    Klaus Mengedoht

    Wenn ich in der taz Berichte und Kommentare über die Situation der Ärzteschaft lese, wird mir immer wieder spontan übel:

    mit den immer gleichen unzutreffenden realitätsentwückten abgeschdroschenen Phrasen und immer wiederkehrenden platten Klischees wird auf die Ärzte eingedroschen, wo es nur geht.

    Die Welt, in der Frau Simone Schmollack offensichtlich lebt, ist Vergangenheit - irgendwann mal in den 90er Jahren wäre hätte es vielleicht so zutreffend gewesen.

    Heute ist das, was Simone Schmollack schreibt, der 1:1 der geistige Ausfluss des Bertelsconi-Imperiums, vor deren Karren auch sie sich hat spannen lassen.

    Immer das gleiche: anstatt des perfekte Blendungsmanöver hinter dieser neuen "Bedarfsplanung" zu enttarnen - nein: nur weiter schön einkuscheln in die vergangnenen Denkmuster und Feindbilder.

    Es tut mir heute immer wieder leid, daß ich die taz in ihren Gründungsjahren mit für mich damals erheblichen Beträgen unterstützt habe.

    Also: taz-Leute - geht doch bitte zu RTL und Co. Sie auch, Frau von Simone Schmollack, da gehören Sie hin, denn deren Interessen bedienen Sie perfekt!

  • WB
    Wolfgang Banse

    Landarzt dringend gesucht

    Es herrscht Ärztemangel auf dem flachen Land,sei es im Land Brandenburg,sei es in Niedersachsen und anderen Regionen.Dem gilt es entgegen zu wirken.Bewohner auf dem flachen Land dürfen was die medizinische Versorgung anbetrifft,nicht schlechter dastehen,wie Stadtmenschen.

    Landarztleben hat nicht wie es in den Groschenromanen ,Landarzt(Fernsehserie) an der Schlei geschildert wird mit Romanze und Idylle zu tun.

    Einem Arzt sollte es egal sein,wenn er seinen beruf ernst nimmt,auch was den ärztlichen Eid betrifft,wo er praktiziert und sein medizinisches Fachwissen anwendet.

    Es darf zu keinem Ärztemangel auf dem Land kommen.um der Menschen willen,die dort leben.

    *Zu dem obengenannten Kommentar habe ich eine Lesermeinung bereits geschrieben!!!

  • N
    Normalo

    @Ernst

     

    Wenn es schon eine bestimmte "Klientel" eines Bundesgesundheitsministers geben soll, dann ist das die Ärzteschaft insgesamt, und nicht bloß die kleine Teilgruppe der Landärzte. Wenn er die auf Kosten der Stadtärzte (die viel zahlreicher sind, allein schon weil ja auf dem Land auch nur ein Fünftel der Menschen wohnt) privilegiert, vergrault er mehr potenzielle Anhänger und Multiplikatoren, als er gewinnt. Das wäre - rein klientelpolitisch betrachtet - Unsinn.

     

    Davon abgesehen dichten Sie Frau Schmollak zu viel Differenzierungswillen an, wenn Sie meinen, der Kommentar unterscheide zwischen gut und weniger gut verdienenden Ärzten. Für sie verdienen ALLE Ärzte so gut, dass ihr jegliche Förderung nur mit niederen Beweggründen à la "Klientelpolitik" zu erklären ist.

     

    Tatsächlich sind die Landärzte gerade nicht die Spitzenverdiener unter den Niedergelassenen. Sie arbeiten aber häufig mehr und zu unmöglicheren Zeiten als ihre urbanen Kollegen.

  • E
    Ernst

    @Normalo: "Dadurch bekommen nicht 'die Ärzte' mehr Geld sondern eine Minderheit unter ihnen auf Kosten der Mehrheit" - Genau das ist, was ich unter Klientelpolitik verstehe.

    Auch die Autorin sagt: "Die ohnehin schon gut verdienenden Ärzte bekommen noch mehr Geld"

    Ich verstehe das so, dass eben jene Ärzte, die ohnehin schon viel verdienen - also gerade nicht alle, sondern die immer gleiche Lobbygruppe/Klientel - wiedereinmal noch Einen drauf bekommt. Das wäre - Sie sagen es - wahrlich nichts neues.

  • B
    Bassa

    Gerade Ärzte mit Praxis sind oft nicht gerade reich. Klar haben die auf den ersten Blick einen guten Umsatz, aber auch bei Ärzten gilt, dass Umsatz und Gewinn nicht das Gleiche sind.

    Von dem, was der Arzt an Geld bekommt, muss er alles zahlen, was er braucht. Das fängt bei kleinen Posten wie den Zeitschriften im Wartezimmer an, geht über die Kosten für Fortbildungen und die Gehälter der Arzthelferinnen bis zu den Gerätschaften, die ein Arzt ja nun einmal braucht. Und die Praxis wird ihm in der Regel auch nicht geschenkt.

    Dann sollte man auch mal über die Arbeitszeiten nachdenken. Manche Ärzte haben Öffnungszeiten von 7 bis 18 Uhr. Das sind 11 Stunden. Und dass ab 18 Uhr kein Einlass mehr ist, das heißt nicht, dass um 18 Uhr Feierabend ist, schließlich sitzen eventuell noch Patienten im Wartezimmer. Und auch der Papierkram erledigt sich danach nicht von allein.

     

    Bloß weil einige Chefärzte von großen Kliniken angeblich lieber Golf spielen als zu operieren, heißt es nicht, dass alle Ärzte Millionäre sind.

  • L
    lutz

    hmm, Klientelpolitik? Habe bestimmt nichts übrig für die Liberalen und oft betreiben sie genau dass, aber wenn auch nur ein paar wenige Ärzte mehr aufs Land ziehen,so dürfte das einen Vorteil vor allem für den berufstätigen, den alleinerziehenden, den alten, den schwachen, den nicht mobilen und den armen Teil der ländlichen Bevölkerung helfen. Natürlich wäre eine Art Soli unter den Ärzten wünschenswert, dieser könnte beispielsweise eine Abgabe für jeden behandelten Privat-Patienten eine kleine Abgabe an die Landärzte. Aber insgesamt ist es schon mal ein positiver Ansatz der FDP, die sonst nur gefällt, wenn sie gegenüber ihrem Koalitionspartner eine akzeptablere Position einnimmt, zB. in Fragen der inneren Sicherheit.

  • G
    Gert

    Na, mag ja alles sein... Aber wie lautet denn der Alternativvorschlag?

    Dass es auf dem Land weiterhin nicht nur kein kulturelles Umfeld, keine Kinderbetreuung usw. gibt sondern auch keine ärztliche Versorgung?

    Cooler Plan!

  • N
    Normalo

    Schade, dass das Fazit dann doch wieder nur ein Eindreschen auf das alte Klischee ist.

     

    Es gibt durchaus auch Ärzte, die nicht so gut verdienen, die gerne eine eigene Praxis - auch auf dem Land - hätten. Nur misstrauen sie der Zukunft im planwirtschaftlichen Kassenarzt-System und scheuen das Risiko, darauf ihre Existenz zu gründen. Aus Sicht der Ärzte gibt es nur eine echte Absicherung gegen die die Irrungen und Wirrungen des Kassensystems, und das ist ein hoher Anteil an Privatpatienten. Den aber kann man auf dem Land von vornherein vergessen.

     

    Im Übrigen sollte man erstmal auf das Kleingedruckte warten. Im Zweifel kommen "Förderungen " bestimmter Ärzte aus dem großen Topf der Kassenärztlichen Vereinigungen, ohne dass dieser vergrößert wird. So wurde es seit Seehofers Zeiten bisher stets gehandhabt. Dadurch bekommen nicht "die Ärzte" mehr Geld sondern eine Minderheit unter ihnen auf Kosten der Mehrheit. Wer das "Klientelpolitik" nennt, kann einfach nicht rechnen.