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Kommentar KrankenkassenbeiträgeUnerfreuliche Gegenrechnungen

Die Regierung gibt den Krankenkassen, was sie bei Arbeitslosen spart - ein zynisches Modell.

Bild: taz

Barbara Dribbusch ist Inlandsredakteurin der taz.

Es ist eine wichtige Aufgabe der Politik, für das seelische Gleichgewicht des sensiblen Sozialstaatsbürgers zu sorgen. Um 0,5 Prozent vom Bruttolohn gehen die Beiträge zur Krankenkasse rauf - da soll es beruhigend wirken, wenn die Abgaben für die Arbeitslosenkassen gleichzeitig um 0,5 Prozent sinken. Plus/minus null, unterm Strich bleibt also alles beim Alten - diesen Eindruck möchte die Regierung damit vermitteln. Nur leider täuscht das prozentuale Gleichgewicht. Denn dahinter verbergen sich Verlagerungen, die komplexer sind, als einfache Prozentrechnungen glauben lassen.

Vom Beitrag zur Arbeitslosenversicherung profitieren bekanntlich nur die Empfänger des sogenannten Arbeitslosengeldes I. Es gibt immer weniger Bezieher von Arbeitslosengeld I. Nicht nur wegen der besseren Konjunktur, sondern auch, weil die Bezugsdauer dieser Sozialleistung für Ältere zwischenzeitlich verkürzt wurde und weil es durch veränderte Vorbedingungen schwieriger geworden ist, überhaupt Ansprüche auf Arbeitslosengeld I zu erwerben.

Auch deshalb ist die Zahl der ALG-I-Empfänger in den letzten 10 Jahren um mehr als die Hälfte gesunken. Die meisten Erwerbslosen beziehen heute Arbeitslosengeld II, also Hartz IV. Das wird nicht aus Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung, sondern aus Steuermitteln bezahlt. Wegen dieser Verschiebungen sparte die Bundesarbeitsagentur viel Geld. Da ist es leicht, die Beiträge auf 2,8 Prozent abzusenken, wenn auch nur befristet. Weit entfernt sind wir damit von den 6,8-Prozent-Beiträgen, die noch 1991 in die Arbeitslosenkasse zu zahlen waren - damals übrigens ohne viel Gejammere.

Es sind also nicht zuletzt die Hartz-Gesetze, die es ermöglichen, dass quasi von der Arbeitslosen- in die Krankenkasse umgeschichtet wird. Hartz-IV-Empfänger haben übrigens auch nichts von der Anhebung des Kindergeldes, da dieses ja auf die Sozialleistungen angerechnet wird. Zynisch könnte man sagen: Die Arbeitslosen finanzieren die höheren Einkommen der Ärzte. Es wäre besser gewesen, die Politik hätte genau diese Gegenrechnung nicht nahegelegt. BARBARA DRIBBUSCH

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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5 Kommentare

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  • N
    Normalo

    Sehr geehrte Frau Dribbusch,

     

    nun ist es nun mal so, dass von den Beiträgen zu Krankenversicherung Gesundheitskosten und von den Steuern und den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung der Lebensunterhalt von Arbeitslosen bezahlt werden. Nur wer letztlich planwirtschaftlich denkt, kann da solche Korrelationen aufstellen, wie Sie das tun. Was haben die Arbeitslosenversicherung und Hartz IV mit den Gesundheitskosten zu tun?

     

    Die Konjunktur und Gerd Schröder haben es gut mit der Agentur für Arbeit gemeint, und das Gesundheitssystem hat das freiwerdende Geld dringend nötig - das kann man auch einfach mal so klar sagen.

     

    Die niedergelassenen Ärzte hatten seit Anfang der 90er keine reale Steigerung ihres Honorarvolumens, müssen dieses nur mittlerweile auf ein Drittel mehr Köpfe verteilen - macht nach Adam Riese reale Umsatzverluste von durchschnittlich 25% - bei steigenden Kosten. Das hat allein 100.000 ArzthelferInnen-Stellen gekostet.

     

    Die Gelder für die Kliniken fließen vor allem in die Rettung von Arbeitsplätzen im Pflege- und Sevicebereich - die werden nämlich immer als erste gestrichen - und vielleicht auch wieder in eine zeitgemäße Ausstattung - bei zig Milliarden Investitionsstau nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

     

    Das sind WAHRE Bedürfnisse, an denen Arbeitsplätze (und nebenbei auch Menschenleben) hängen. Die sind Ihnen natürlich völlig egal, wenn es gilt, denkbare zynische Überspitzungen in der spießbürgerlichen Wahrnehmung des Ganzen zu vermeiden. Gut, dass wir Journalisten haben, die die Menschen darüber aufklären, wie die Welt aus der Froschperspektive aussieht...

     

    Normalo

  • M
    michaelbolz

    Wenn die Rechnung nur halbwegs so aufgeht, dann ist das Fazit nicht zynisch, die Realität ist es, die zynisch ist. Wie in vielen anderen Bereichen auch.

  • V
    vic

    Mein bisheriger Beitrag liegt bei 13,7%.

    Die Erhöhung liegt also bei 1,8%, vorerst.

    Zudem wird das Hausarztmodell zum 1.1.2009 eingestellt. Das alleine sind 40 Euro Erhöhung im Jahr.

    Ich habe weder Kinder, noch bezahle ich Arbeitslosenversicherung.

    Wie sieht es jetzt aus mit der Gegenfinanzierung?

  • SO
    Stefan Otto

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Die Regierung setzt ihren Betrug weiter fort. Werden

    die Beiträge zur Krankenkasse um 0,5% erhöht und

    gleichzeitig die Beiträge zur Arbeitslosenversich-

    erung um 0,5% verringert, so hat der Rentner wieder

    einmal überhaupt nichts davon.

    Was ist das für eine Bananenrepublik ?

     

    Und wo sind jetzt -bei der Finanzkriefe- die laut-

    starken Verfechter einer kapitalgedeckten Renten-

    versicherung? Merken diese Leute nunmehr, welchen

    imensen Unsinn über lange zeit den Bürger zu ver-

    mitteln versuchten?

  • NV
    Norbert Voßiek

    Die Arbeitslosenversicherung wird genauso wenig von Arbeitslosen "finanziert" wie Krankenkassen von Kranken und Müllgebühren von der Müllabfuhr. Insofern ist der "zynische" Satz, mal zynisch gesagt, eher unzynisch.