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Kommentar Krankenhaus-HygieneBitterer Beigeschmack

Wolfgang Löhr
Kommentar von Wolfgang Löhr

Die Forderungen nach einem Hygienegesetz sind populistisch und in Mainz fachlich fehl am Platz. Rösler lenkt damit nur von der Ursache ab: dem Umbau des Gesundheitssystems.

D ass in deutschen Kliniken jährlich zwischen 15.000 und 60.000 Patienten an einem Keim sterben, den sie erst im Krankenhaus erworben haben, ist ein Skandal. Neue Hygieneregeln für Krankenhäuser, die FDP-Gesundheitsministers Philipp Rösler jetzt ankündigt, sind daher überfällig.

Zeitpunkt und auch Anlass seiner Ankündigung hinterlassen jedoch einen bitteren Beigeschmack. Denn nach allem, was bisher bekannt ist, hat der tragische Tod von drei Neugeborenen in der Mainzer Kinderklinik nichts zu tun mit den zunehmenden Problemen durch oftmals multiresistente Krankenhauskeime, gegen die kein Antibiotikum mehr hilft.

Noch ist sogar unklar, ob der Tod der drei Neugeborenen überhaupt durch eine bakteriell verunreinigte Infusionslösung verursacht wurde. Und selbst wenn: Für die Zubereitung von Infusionslösungen gibt es bereits Hygienevorschriften, die in Mainz auch angewandt werden. Zu prüfen ist jetzt - und zwar seitens der Staatsanwaltschaft -, ob sie Schwachstellen aufweisen oder ob sie in einem entscheidenden Punkt nicht eingehalten wurden. Ein neues Gesetz braucht es dafür nicht.

Bild: taz

Wolfgang Löhr ist Wissenschafts-Redakteur der taz.

Das weiß auch Gesundheitsminister Rösler als promovierter Arzt nur zu gut. Sein medienwirksamer Vorstoß ist deshalb nur populistisch. Zugleich stiehlt sich Rösler aus der Verantwortung, indem er darauf hinweist, dass für Krankenhaushygiene die Bundesländer zuständig sind. Dass bisher nur vier Bundesländer Regelungen für die Krankenhaushygiene verabschiedet haben, soll seiner Gesundheitspolitik nicht anzulasten sein. Doch damit macht es sich Rösler zu einfach. Denn jede Hygienemaßnahme kostet Geld. Und dass dies bei den Kliniken knapp wird, hat mit Röslers Umbau des Gesundheitssystems zu tun.

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Wolfgang Löhr
Redakteur
Jahrgang 1955, war von 1993 bis Ende 2022 Wissenschaftsredakteur der taz. Er hat an der FU Berlin Biologie studiert. Vor seinem Studium hatte er eine Facharbeiterausbildung als Elektromechaniker gemacht, später dann über den zweiten Bildungsweg die Mittelere Reife und am Braunschweig-Kolleg die allgemeine Hochschulreife nachgeholt.

1 Kommentar

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  • CO
    Cornelia Oehlert

    Richtig!

    Regeln haben wir genug, siehe Infektionsschutzgesetz und RKI, die DKG nicht zu vergessen. Wenn sich alle fleißig daran halten würden, wäre auch in Deutschland MRSA kein Problem. Trotzdem wäre eine bundeseinheitliche Hygieneverordnung sicher von Vorteil, die Pflicht in jedem Bundesland wäre. Bisher haben nur einige wenige Länder eine solche in Kraft gesetzt.

    Für mich erschreckend (bin Insider), ist die Tatsache, dass es oft nicht einmal an Geld, sondern an Mangel an Compliance (Arroganz und Schlamperei) liegt, dass die Regeln nicht eingehalten werden.

    Den Ärzten (die sind für die Hygiene in ihrem Umfeld verantwortlich!) ihre "Autosterilität"austreiben, ginge wunderbar mit der Hilfe von wirkungsvollen Kontrollen. Genau die aber finden höchst selten statt und wenn, dann laufen "Kontrolleure" durch die Räume, die sich zuvor die Scheuklappen aufgesetzt haben, damit sie all das Elend nicht sehen und dokumentieren müssen. Warum? Weil das später Arbeit in der Amtsstube bedeutet!