Kommentar Korruption in Israel: Herr Zickzack spekuliert
Verteidigungsminister Barak kann sich sicher sein, mit der öffentlichen Distanzierung vom korrupten Olmert auf der Popularitätsskala zu punkten.
Susanne Knaul (47) ist studierte Ethnologin und wohnt seit 20 Jahren im Nahen Osten. Seit neun Jahren berichtet sie für die taz aus Israel und den Palästinensergebieten - und glaubt noch immer fest an die Zweistaatenlösung.
Ehud Barak mag nicht länger zusehen, wie das Land immer tiefer im Schlamm von Bestechung und Unterschlagung versinkt. Welch edler Schritt, den Premierminister zum Rücktritt zu drängen. Der medienwirksame Auftritt des Verteidigungsministers kommt gerade am Tag nach der spektakulären Gerichtsaussage von Olmerts Gönner, einem amerikanischen Geschäftsmann. Dessen Bericht über den Regierungschef, der die teuren Zigarren und hübsche Hotelsuiten liebt, macht sich nicht gut für das Ansehen Olmerts.
Barak kann sich sicher sein, mit der öffentlichen Distanzierung vom korrupten Chef auf der Popularitätsskala zu punkten. Niemand sollte sich indes Illusionen machen, dass der ehemalige Premierminister ernst macht - er, der für seine unentschlossene Politik im Volk "Herr Zickzack" genannt wurde. Seine Ankündigung, die Koalition zu verlassen, kommt halbherzig, leere Drohungen macht Barak öfter. Sollte es tatsächlich auf vorgezogene Neuwahlen hinauslaufen, wird er einen Rückzieher machen. Denn Neuwahlen würden Baraks politisches Ende bedeuteten, würde er dabei doch sehr wahrscheinlich verlieren.
Der Verteidigungsminister spekuliert vielmehr auf einen Führungswechsel bei der Kadima. Mit seiner Rücktrittsforderung an den Regierungschef lenkt er die Aufmerksamkeit auf das Schweigen der Außenministerin Zippi Livni, die als aussichtsreichste Nachfolgerin für Olmert gehandelt wird. Je länger sie keine klare Position bezieht, desto stärker büßt sie an Glaubwürdigkeit innerhalb ihrer Partei wie auch im Volk ein.
Für Livni kommt die Affäre um ihren Chef zu früh. Der Mittvierzigerin mangelt es an politischer Erfahrung, um schon jetzt das höchste Amt zu übernehmen. Und genau darauf spekuliert Barak. Er würde Livni unter seine Fittiche nehmen, um sie bei den regulären Wahlen in zwei Jahren als Regierungschef abzulösen. Die Frage ist nur, mit welcher Politik er bis dahin das Volk überzeugt: Ist es Frieden mit Syrien oder doch eher sein Plan, ein für alle Mal im Gazastreifen aufzuräumen, wie er es schon seit Monaten ankündigt.
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