Kommentar Konjunkturprognose: Impulse ins Nichts
Für dieses Jahr rechnet die Bundesregierung mit einem Defizit von 70 bis 80 Milliarden Euro. Die Krise kommt erst noch, sie ist nicht vorbei.
Ulrike Herrmann ist Finanzredakteurin der taz.
Nun wird es bitter: Der Staat stößt an die Grenzen seiner Leistungskraft. Für dieses Jahr rechnet die Bundesregierung mit einem Defizit von 70 bis 80 Milliarden Euro. Und selbst diese Zahl ist noch geschönt, denn sie enthält nicht die Kosten für die Kurzarbeit und für die Rettung der Banken. Im nächsten Jahr, so haben es die Forschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten prognostiziert, wird das gesamtstaatliche Defizit dann auf 133 Milliarden Euro anwachsen.
Das ist noch nicht der Staatsbankrott, aber die Verteilungskämpfe werden gnadenlos. Langfristig hat die Regierung nur drei Möglichkeiten, um den Haushalt wieder zu sanieren: Sie kann die Steuern erhöhen, die (Sozial-)Ausgaben senken - oder auf wundersames Wachstum hoffen. Im Wahlkampf ist es natürlich am bequemsten, auf die Konjunktur zu setzen. Daher ist es nur konsequent, dass Wirtschaftsminister zu Guttenberg am Mittwoch mit der optimistischen Prognose aufwartete, dass die deutsche Wirtschaft im nächsten Jahr um 0,5 Prozent zulegen werde - nach einem Absturz von 6 Prozent in diesem Jahr.
Gern hätte man erfahren, was die baldige Erholung denn auslösen soll. Doch da bleibt die Bundesregierung vage. Sie scheint einer Art magischen Zirkelschluss anzuhängen: Wenn man Milliarden in die Banken pumpt, dann müssen auch Milliarden hinten rauskommen. Oder technisch ausgedrückt: Irgendwann müssten doch die "Impulse der Geldpolitik" den Markt erreichen.
Doch so einfach dürfte es nicht sein. Die Banken sind marode, weil viele ihrer Kunden zahlungsunfähig sind - vorneweg die amerikanischen Häuslebauer. Mit der Rezession wird sich diese Spirale noch schneller nach unten drehen. Die Krise kommt erst noch, sie ist nicht vorbei.
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