Kommentar Kongo: Paradoxe Warnung vor Völkermord
Die UNO kann nicht einerseits einen Genozid fürchten und gleichzeitig betonen, es gäbe keine militärische Lösung im Kongo. Das ist ein Armutszeugnis.
Dominic Johnson ist Afrika-Redakteur im Auslandsressort der taz.
Wenn die UNO vor einem Völkermord im Kongo warnt, ist das einerseits ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass die Sprengkraft des neuen Krieges im Osten der Demokratischen Republik Kongo endlich erkannt wird. Und es ist höchste Zeit: Die mörderischen Kämpfe und Vertreibungen im Ostkongo währen schon Jahre, ethnische Polarisierung und Hass sind in den letzten Jahren stetig gewachsen.
Andererseits tappt die UNO in eine Falle. Die Warnung vor einem drohenden Völkermord gehört auf allen Seiten zentral zur propagandistischen Mobilisierung in Ostkongos neuem Krieg. Der Tutsi-General Laurent Nkunda legitimiert seine Rebellion damit, dass Ostkongos Tutsi schutzlos seien gegenüber der kongolesischen Regierung. Denn diese arbeitet militärisch mit Hutu-Milizen aus Ruanda zusammen, die 1994 am Genozid an den dortigen Tutsi teilnahmen und bis heute die Ausrottung aller Tutsi wollen. Nkundas Gegner wiederum werfen ihm vor, andere Ethnien auslöschen zu wollen, vor allem die kongolesischen Hutu. Als Beleg dienen derzeit die Massaker von vergangener Woche an Hutu im Ort Kiwandja.
Nun können sich all diese Kräfte durch die UNO bestätigt fühlen, zumal deren Beauftragter Deng es bei seiner Warnung vermieden hat zu sagen, wer denn eigentlich an wem Völkermord plane. Das hilft nicht weiter. Sowohl das Lager von Kongos Präsident Joseph Kabila als auch das der Rebellen um Nkunda eilen dieser Tage mit ihrer Rhetorik weit der militärischen Realität voraus. Die einen denken, sie könnten ohne funktionierende Armee einen Krieg gewinnen, die anderen wollen ohne breitere Unterstützung ihren Krieg bis ins ferne Kinshasa tragen. Da sollte alles unterlassen werden, was die Kriegstreiber auf beiden Seiten in ihrer Weltsicht bestätigt.
Wenn die UNO ihre Warnung ernst meint, muss sie auch etwas gegen den Völkermord tun. Sie kann nicht einerseits einen Genozid fürchten und gleichzeitig betonen, es gäbe keine militärische Lösung im Kongo. Das ist ein Armutszeugnis. Wenn es Völkermordplaner im Kongo gibt, muss man sie mit Gewalt unschädlich machen. Und muss man den bedrohten Bevölkerungen effektiven Schutz bieten.
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