Kommentar Kommerz-Kitas: Konkurrenz der Krabbelgruppen
Die Föderung privater Kitas könnte eine soziale Teilung fördern, befürchten Kritiker. Die Ängste sind unbegründet. Die Palette wird erweotert und die Qualität gesichert.
Cosima Schmitt ist Redakteurin im Inlands-Ressort der taz. Ihr Spezialgebiet: Frauenpolitik.
Der Plan wirkt wie der Einbruch des Kommerzes in die Krabbelgruppen. Auch gewerbliche Kitas sollen künftig Zuschüsse vom Staat erhalten. Ein Privileg, das bisher vor allem gemeinnützigen Trägern vorbehalten war. Schon mahnen Skeptiker, dass das Vorhaben die soziale Kluft vertiefen könnte: hier das Zahnarztkind, das in der Privatkita mit Biokost und Yoga verwöhnt wird. Dort das Hartz-IV-Kind, das schon im Legoalter unter seinesgleichen bleibt. Hier die Kirchenkita, die selbstlos die Kleinen umsorgt. Dort der Kapitalistenbetrieb, der nur Bilanzen im Blick hat.
Doch die Ängste sind weitgehend unbegründet - und der Vorstoß des Familienministeriums ist begrüßenswert. Schon jetzt ist nur etwa jede achte Kita in öffentlicher Hand. Die große Masse wird von Kirche, Caritas und Co., also jenseits staatlicher Obhut, betrieben. Und gerade mal 71 Kitas in Deutschland werden privatgewerblich geführt. Wenn künftig zum Beispiel Betriebskitas eher gefördert werden, droht nicht der Systemwechsel. Die Palette wird allenfalls erweitert.
Ohnehin obliegt die Frage, wie eine Kita organisiert ist, nicht der Willkür des Betreibers. Sie wird durch die Auflagen geprägt, denen eine Tagesstätte unterliegt. Die Auflagen zu definieren, ist aber Aufgabe der öffentlichen Hand. Eine gewerbliche Kita darf nur dann Zuschüsse erhalten, wenn sie die gleichen Anforderungen wie eine gemeinnützige erfüllt. Dann gibt es wenig Anlass, Privatkitas zu fürchten.
Dies gilt umso mehr, als derzeit die Frage der Qualität in den Vordergrund rückt. Von dem Ideal, das Experten einfordern - kleine Gruppen, frühpädagogisch bestgeschulte Erzieherinnen -, sind viele gemeinnützige Kitas weit entfernt. Ein wenig Konkurrenz könnte da durchaus belebend wirken. Vor allem aber könnte sie helfen, dass Hauptproblem einzudämmen: dass es viel zu wenig Krippen gibt. In dieser Lage ist es das kleinere Übel, wenn vielleicht eine Kita Zuschüsse erhält, die vor allem gutbetuchten Nachwuchs beherbergt. Wichtiger ist, dass überhaupt allerorten Krippen entstehen - und Eltern eine Auswahl haben.
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