Kommentar Kölner Stadtarchiv: Skandal ohne Ende
Nicht nur das Langzeitgedächtnis der Domstadt wurde mit dem Einsturz des Stadtarchivs verschüttet, auch das Kurzzeitgedächtnis ihrer Bürger scheint deutlich gelitten zu haben.
M itten im Karneval muss sich Köln wieder mit einem Thema beschäftigen, das viele längst verdrängt hatten: dem Einsturz des Stadtarchivs. Immer offenkundiger wird, dass beim Bau der Kölner Nord-Süd-Bahn systematisch gepfuscht wurde. Nach dem Motto "Es hätt noch immer jot jejange" wurden städtische Sicherheitsauflagen ignoriert, Bauprotokolle gefälscht, stabilisierende Stahlelemente falsch oder gar nicht montiert, zu wenig Beton in Wände eingefüllt. Aus wirtschaftlichen Interessen wurden eingeführte Kontrollinstrumente nicht angewandt. Fast täglich bringen Journalisten neue skandalöse Details ans Tageslicht. Es grenzt an ein Wunder, dass nicht noch mehr passiert ist.
Nicht nur das Langzeitgedächtnis der Domstadt wurde mit dem Einsturz des Stadtarchivs verschüttet, auch das Kurzzeitgedächtnis ihrer Bürger scheint deutlich gelitten zu haben. Bis vor wenigen Tagen beschäftigten sie sich mehr mit dem Glasflaschenverbot während des Karnevals als mit den Ursachen des Unglücks am Waidmarkt. Knapp ein Jahr ziehen sich nun die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hin - von der Öffentlichkeit lange Zeit weitgehend unbeachtet.
Das Unglück am Waidmarkt, bei dem zwei Menschen starben, war keine Naturkatastrophe. Es hätte verhindert werden können. Entscheidende Voraussetzung dafür wäre eine funktionierende Überwachung gewesen. Die aber wurde den Kölner Verkehrsbetrieben übertragen, das heißt: Der Bauherr überwachte sich selbst. Dieses immer noch zulässige Verfahren per Bundesratsinitiative endlich zu verunmöglichen, wie von den Grünen nach dem Einsturz gefordert, hat die schwarz-gelbe Mehrheit im Düsseldorfer Landtag abgelehnt. Nicht nur in Köln fehlt es an Lernfähigkeit.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Wahlerfolg der Linken
Keine Zeit, jetzt lang zu feiern