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Kommentar KlimaschutzAuf dem richtigen Weg

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Die Klimakonferenz von Bali wird zeigen, ob auch die Weltpolitik die Katastrophe erkennt, die sich da zusammenbraut. Tut sie das, muss sie weltweit den Emissionshandel umsetzen.

D ie Klimakonferenz von Bali schickt ihre Vorboten voraus. Der Weltklimarat hat den letzten Teil seines Berichts weitgehend fertiggestellt. Kein Tag vergeht mehr, an dem nicht neue Indizien für die Dramatik des heraufziehenden Klimawandels publiziert werden, kein Tag, an dem nicht Wissenschaftler, Politiker und Umweltverbände konsequentes Handeln einfordern.

Bali wird zeigen, ob auch die Weltpolitik die Katastrophe erkennt, die sich da zusammenbraut. Tut sie das, hat sie nur eine Möglichkeit: Sie muss weltweit den Emissionshandel umsetzen. Bali muss zu einem "Kioto extrastark" werden.

Nun hat der Emissionshandel selbst in Kreisen der Umweltverbände seine Kritiker. Diese Kritik basiert zumeist darauf, dass in der politischen Debatte zwei Dinge durcheinandergeworfen werden: einerseits das Instrument des Emissionshandels an sich. Und andererseits der Emissionshandel, wie er seit 2005 in der Europäischen Union praktiziert wird.

Der Unterschied ist entscheidend. Der Emissionshandel an sich ist ein Instrument, das so faszinierend wie logisch ist. Denn er ergänzt unser Wirtschaftssystem an entscheidender Stelle. In der alten Ökonomie war Umweltverbrauch kostenlos, denn in der einst von Adam Smith geprägten Weltsicht tauchten nur Arbeit, Kapital und Boden als Produktionsfaktoren auf. Die neue Ökonomie jedoch wird ergänzt um den Umweltverbrauch. Das ist nicht nur ökonomisch konsequent in einer Weltwirtschaft, die an den Grenzen der natürlichen Ressourcen agiert. Es entspricht zudem schlichtem Gerechtigkeitsdenken: Wer Umwelt verbraucht, muss dafür bezahlen.

Bislang blieb die positive Wirkung des Emissionshandels jedoch aus, weil die Politik das Instrument zum Spielball von Lobbys degradierte. Da wurden Sonderregeln ohne Ende erlassen, die etwa den Klimakiller Braunkohle bevorzugten. Der Flugverkehr wurde gänzlich verschont, und die wertvollen Emissionszertifikate wurden verschenkt - eine Milliardensubvention. Ein Schwachpunkt war zudem, dass der Emissionshandel nur auf einen Teil der Weltgemeinschaft beschränkt blieb.

All diese Defizite muss Bali beheben. Aber der Weg ist der richtige.

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
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4 Kommentare

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  • AJ
    Arne Jungjohann

    Die Messlatte für die Klimakonferenz in Bali liegt hoch - die Klimadaten sind so deutlich wie nie zuvor, die unsäglichen Klimaskeptiker a la Lomborg & Co sind zwischenzeitlich verstummt und bei der letzten UN-Vollversammlung haben sich mehr als 80 Regierungschefs dieser Welt für entschiedenes Handeln ausgesprochen: Action, Action, Action! wie Arnie Governator sagt.

    Dennoch: In Bali wird einmal mehr die schleichende Genügsamkeit der Klimadiplomatie betrieben, die einen Konsens von mehr als 180 Ländern erfordert. All das braucht seine Zeit. Es wäre ein beachtlicher Erfolg, wenn dort ein klares Verhandlungsmandat erteilt werden würde, bis 2009 ein Kyoto-Plus-Abkommen auszuhandeln: mit dem Ziel der Halbierung der weltweiten Emissionen bis 2050, verbindlichen Klimazielen für die Industrieländer und Effizienzzielen für die grossen Entwicklungsländer wie China und Indien. Das wäre ein beachtlicher Erfolg!

    Die Einführung eines weltweiten Emissionshandels ist sicherlich wünschenswert. Das wäre aber der zweite vor dem ersten Schritt: Schliesslich steckt das Thema jenseits Europas Grenzen noch in den Kinderschuhen. Dabei sind die USA als weltweit grösster Emittenet auf einem guten Weg. In Kürze werden mit dem RGGI und der Western Climate Initiative zwei regionale Cap-and-Trade Systeme starten. Selbst im US Congress konkurrieren mehr als ein Dutzend Gesetzentwürfe zur Einführung eines US-weiten Emissionshandels um die Stimmen der Abgeordneten und Senatoren. Freilich, jedes Gesetz bedarf der Zustimmung des amntierenden Präsidenten. Doch nimmt der Klimaschutz zwischen Ost- und Westküste, zwischen New York City und San Francisco gewaltig an Fahrt auf und es würde nicht verwundern, wenn die Bush-Regierung mit dem Thema aus dem Amt gespült wird.

    Arne Jungjohann

  • RK
    Rüdiger Kalupner

    Wer die interessen- und machtpolitischen Tricks, Möglichkeiten und Spielchen der globalen Machtspitzen nicht ahnt, nicht kennt, nicht in seiner Klimaschutzpolitik berücksichtigt, der macht in Verhandlungslösungen, d.h.in Kyoto-Vertrag, Emmissionshandel usf. Nur diese Naiven und die verlogenen, nationalen Handlanger dieser Machtspitzen unterstützen diese machtlosen Strategien, mit denen er sich den beinharten Gegnern jeglicher wirksamer Klimaschutzpolitik ausliefert.

     

    Wann begreifen die taz-Kommentatoren und alle anderen, dass wirksame Klimaschutzpolitik kulturrrevolutionäre Angelegenheit ist, die die gewachsenen wirtschaftlichen und politischen Machtstrukturen stürzen wird, weil die Einschränkung des CO2-Produktion früher oder später das herrschende Wachstumszwang-Regime stürzen wird?

     

    Wann wird in aller Öffentlichkeit diskutiert werden, dass es nur einen evolutionsprozess-logischen Exodus aus der globalen Wachstumszwang-Tyrannei gibt - dessen Start zeitlich mit dem Sturz des alten, kapitalstockmaximierenden Wachstumszwang-Regimes zusammenfallen wird?

  • KS
    Katherine Stainken

    Lieber Herr Janzing und liebe TAZ,

    Klar muss Kyoto gestärkt werden. Ich bitte euch mal aber daran zu erinnern, dass die Länder damals das Kyoto Protocol in dem Wissen unterschrieben haben, dass es nur eine kleine Einwirkung auf die Gesamtemissionen haben würde. Was die Ziele angeht, würde sich nur eine 5%ige Minderung ergeben- klar ist das nicht genug. Der Anspruch von Kyoto war, den Prozess ueberhaupt anzustossen und danach zu stärken. Das Ziel war auch, die Legitimität für die internationale Besorgnis auszudruecken und eine Basis für die weltweite Kooperation festzulegen. Bali bietet die grosse Chance, den politischen Willen aus der ganzen Welt zu buendeln und dafuer die neuesten naturwissenschaftlichen und oekonomischen Erkenntnisse zum Klimaschutz zusammen zu bringen. Man sollte sich aber davor hueten, die Erwartungen an die Klimakonferenz damit zu ueberfrachten, dass Mitte Dezember schon ein weltweites Emissionshandelssystem beschlossen wuerde. Die institutionelle und administrative Struktur des Kyoto Protocols muss erst ueberarbeitet werden. Dann kann es die Basis fuer einen neuen Klimaschutzvertrag nach 2012 sein: das Kopenhagen Protokoll.

     

    Mit freundlichen Gruesse,

    Katherine Stainken, Washington DC, USA

  • JS
    Johan Steunenberg

    Lieber Herr Janzing, lieber TAZ,

     

    ich fand das Kommentar auf der Seite 1 recht naiv. Mit einem Verweis auf Adam Smith machen Sie einen Unterschied zwischen Emissionshandel an sich und das EU-System. Dabei sei der Emissionshandel an sich so logisch und faszinierend. Lieber Herr Janzing, der Kapitalismus an sich ist genau so logisch und faszinierend. Dabei ist sie genau so virtuell.

     

    Das (nicht nur) die Politik das Instrument zum Spielball von Lobbys degradierte ist inherent am System. Etwas was kein Markt ist wird in der Politik zum Markt gemacht, und dabei tritt automatisch das 'Rent Seeking' Mechanismus auf. (Theorie dazu: Gordon Tullock und Anne Kruger.) Emissionshandel ist per se ein politisches Konstrukt. Es ist zwar so, dass in Deutschland die (Braun-)Kohlelobby erfolgreich war. Das heisst nicht, dass die Ergebnisse für das Klima ansonsten besser gewesen wären. In den Niederländen und dem UK sind die Regeln anders. Da hat sich dann auch das 'Co-firing' von Kohlekraftwerke durchgesetzt. Holzspäne werden in Canada, Brazilien, China zu Pellets gepresst und nach Europa verschifft. Dann werden sie hier mit verfeuert. Erstens werden da also Emissionen verlagert: die Emissionen der Schiffe müssen nicht durch Zertifikate gedeckt werden. Und zweitens kann das Holz nicht über Jahrzente vergehen, CO2 gebunden halten und ein Bodenökosystem instande halten, aber geht in Rauch auf.

     

    Die Forderung, dass die ganze Welt in der Emissionshandel eingebunden wird, verstehe ich auch nicht ganz. Das heißt, das wir demnächst die Zertifikate direkt kaufen können, anstatt zumindest in (fraglichen) Projekte zu investieren? Und wie soll das ganze umgesetzt werden? In Europa haben wir ein gut funktionierendes Monitoring, können wir tatsächlich verfolgen, was in den Anlagen passiert. Ich nehme mal an, dass das auch in den USA, in Canada, Australien, Singapur oder Neuseeland umzusetzen wäre. Ich nehme aber auch an, dass es viele Länder gibt, die nicht die Infrastruktur haben um ein vernünftiges Monitoring innerhalb den nächsten 20 Jahren umzusetzen. Es wäre schon einen großen Sprung vorwärts, wenn die Erste-Welt-Volkswirtschaften zu Hause kehren würden, und die eigenen Emissionen zurückbringen würden auf chinesischem Nivo.

     

    Dass der Flugverkehr gänzlich verschont wurde liegt nicht an der Politik. In Kyoto wurde entschieden, dass die IATA damit beauftragt wqerden würde. Die WTO hätte wahrscheinlich gemotzt (= Bußgelder verhängt).

     

    Dass die Zertifikate verschenkt wurden hat nach meiner Meinung keinen Einfluss auf deren Effektivität. Man kann es zwar betrauern, aber die (theoretische) Effektivität hängt vom Marktpreis und nicht vom ursprünglichen Preis ab. Wenn wir schon das Hohelied vom Markt singen, dann richtig.

     

    Man kann die deutsche Politik die Einbeziehung der anderen Kyotomechanismen übelnehmen, obwohl die Möglichkeiten explizit im Kyoto-Abkommen gegeben sind. Die 'allozierte' (zugewiesene) Menge an EU-Emissionszertifikate für die Periode von 2008 - 2012 würde eine richtige Emissionsminderung bedeuten. Da aber 20% der Emissionen mit Zertifikate aus Kyoto-Projekte in Drittländer abgeglichen werden dürfen, ist die Möglichkeit gegeben, genau so weiterzumachen wie gehabt. (Die zugewiesene Menge plus die Kyoto-Mengen sind wesentlich mehr als tatsächliche Emissionen.) Das Buch 'Carbon Trading' der Dag Hammarskjöld Foundation' setzt sich sehr kritisch mit gerade diesem Teil der Emissionshandel auseinander.

     

    Es ist wirklich fraglich, inwieweit der Markt-Metapher auf Emissionshandel zutrifft. Es gibt eine feste Menge an Ressourcen (Zertifikate) und der Markt ist festgelegt. Jede Innovation drückt der Preis der Zertifikate und macht die nächste Innovation damit finanziell weniger interressant. So verhalten andere Märkte sich nicht. Wenn Intel etwas neues macht, ist das gerade einen Anreiz für AMD, auch wieder etwas neues zu bringen. Wie man der Markt-Metapher sinnvol anwenden kann ist das Thema von David M. Driesen in sein 'The Economic Dynamics of Environmental Law'. Eine der Möglichkeiten ist (erstaunlicherweise!) das Ordnungsrecht. Das verleumdete Ordnungsrecht gibt die Möglichkeit, Unternehmen immer an den Klassenbesten zu messen. In 5 Jahre müssen alle Braunkohlekraftwerke fast genau so effizient sein wie das effizienteste Kraftwerk heute.... Das tut weh! Und hat Marktwirkung, denn die Technologie, um diese Anforderung umzusetzen, kriegt damit einen Riesenstimulanz. Driesen zeigt auch noch spannender Wege auf.

     

    Es ist nicht erstaunlich, dass die Emissionshandel 'selbst' in Kreisen der Umweltverbände seine Kritiker hat. Im Gegenteil, die NGOs haben sich in den Kyoto-Verhandlungen nur auf den Emissionshandel eingelassen, weil ansonsten die USA sich nicht auf Kyoto eingelassen hätte. Ich verstehe nicht, wie BUND oder Greenpeace immer noch Vorteile sehen in diesem System. Sogar ein wirstschaftswissenschaftlicher Modellmodellbauer wie Axel Ockenfels hat inzwischen seine Zweifel geäußert. Er tendiert dann eher zu einer Besteuerung der Emissionen, weil das auch so schön marktwirksam ist, aber das ist nun mal seine Spezialität.

     

    Und wo wir jetzt beim Anfang sind: woher kommt eigentlich die Idee der Emissionshandel? Aus der Chicago School der Wirtschaftswissenschaften. Der Erfinder Ronald Coase ist ein durch und durch neoliberaler Denker.Das macht es nicht automatisch schlecht, aber es ist schon ein guter Grund, nochmal kritisch hinzuschauen.

     

    Mit freundlichen Grüßen,

    Johan Steunenberg