piwik no script img

Kommentar Kinderporno-VerdachtAbgeordnete sind keine Polizisten

Wolf Schmidt
Kommentar von Wolf Schmidt

Möglich, dass SPD-Politiker Jörg Tauss wirklich nur auf eigene Faust ermitteln wollte - doch er wurde nicht gewählt, um Kinderpornoringe zu sprengen.

I m Internet wucherten die Verschwörungstheorien. Nachdem die Büros und Wohnungen des SPD-Abgeordneten Jörg Tauss nach Kinderpornos durchsucht worden waren, mutmaßten einige: Hier soll ein Datenschützer und Gegner der Online-Durchsuchung weggeräumt werden. Der Verdächtigte und sein Anwalt befeuerten diese Theorien. Tauss Rechtsbeistand verwies vieldeutig darauf, dass der Fall im Immunitätsausschuss unter der Leitung des Schwiegersohns von Innenminister Schäuble behandelt wurde. Dessen Lieblingsprojekt ist bekanntlich das BKA-Gesetz, gegen das Tauss als einer von wenigen SPD-Abgeordneten gestimmt hatte. Tauss brachte eine mögliche "Revanche" aus der Kinderpornoszene ins Gespräch.

Bild: privat

Wolf Schmidt, geb. 1979, ist Redakteur im Inlands-Ressort der taz.

Inzwischen weiß man: All diese Theorien sind Unfug. Tauss hat zugegeben, dass er sich unter dem Decknamen "Werner" Kinderpornos beschafft hat. Er hat dafür Geld bezahlt und das Material in einem Koffer in seiner Wohnung gehortet. Der Abgeordnete begründet das damit, dass er als Internetexperte seiner Fraktion einen Einblick in die Vertriebswege der Szene bekommen wollte - unabhängig von den Behörden, denen er misstraut. Mehr noch: Einen ganzen Kinderpornoring wollte er nach eigenen Angaben ausheben. Doch abgesichert hat Tauss ein solches Vorgehen nirgendwo.

Wie sein Handeln strafrechtlich zu bewerten ist, wird sich erst in mehreren Monaten klären. Aber schon jetzt ist klar, dass Tauss politisch am Ende ist. Selbst wenn er ein rein berufliches Interesse an den Kinderpornos hatte, ist es nicht Aufgabe eines Abgeordneten, als Undercoverfahnder im Dreck zu wühlen. Muss sich ein Außenpolitiker in ein Terrorcamp einschleusen, um seine Arbeit machen zu können? Sollte ein Drogenpolitiker heimlich Heroin kaufen, um den Drogenmarkt zu verstehen?

"Ich habe Mist gebaut", hat Tauss eingeräumt. Das ist richtig. Nur hat er daraus noch nicht die Konsequenzen gezogen. So sympathisch einem Tauss wegen seiner Haltung zum BKA-Gesetz und zum Datenschutz sein mag - er wurde nicht gewählt, um Kinderpornoringe zu sprengen. Tauss sollte den Bundestag verlassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Wolf Schmidt
Inlandsredakteur (ehem.)
Jahrgang 1979. War bis 2013 in der taz zuständig für die Themen Rechtsextremismus, Terrorismus, Sicherheit und Datenschutz. Wechsel dann ins Investigativressort der Wochenzeitung „Die Zeit“.
Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • B
    Buster

    Immer wieder haben Politiker beteuert, sie seien unschuldig und dann war es doch anders. Aber ich finde Tauss' Erklärung zu seiner Sache

     

    http://daten.tauss.de/StellungnahmeTauss110309.pdf

     

    schon sehr glaubwürdig. Aber Differenzierung ist nicht so das Ding der Öffentlichkeit und vieler Medien. Und im Wahljahr geht da kaum etwas.

  • HH
    holger hinz

    Wenn Tauss diesen Ärger überstanden hat kann er ja

    bei Osteuropäischen Zwangsprostituierten recherchieren.

  • H
    Hosemann

    Endlich mal jemand, der auch ein paar wichtige Aspekte in die Sache bringt. Der Kommentar von Herrn Schmidt lässt jegliches Niveau und jeglichen Durchblick vermissen. Die Reduzierng auf "Abgeordnete sind keine Polizisten" lässt erkennen, dass Ihr guter Mitarbeiter wohl sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich die Seite wwww.tauss.de gründlich anzuschauen. So kann ich auch beim Bäcker die Blöd-Zeitung lesen, traurig, traurig!

  • JD
    Jan Dark

    Rechtsauffassung gegen Rechtsauffassung

     

    Herr Tauss stützt sein Verhalten auf §184b StGB, Abs. 5. Dazu hat er eine klare Pressemitteilung veröffentlicht.

     

    Die Staatsanwaltaltschaft Karlsruhe und Herr Schmidt haben im Lande mit Meinungsfreiheit eine andere Meinung dazu. Ihr gutes Recht. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe äussert sich nicht zu Gründen für ihre Meinung.

     

    Die Meinung der baden-württembergischen Staatsanwaltschaften sind nicht immer zielführend. Der Stuttgarter Innenminister musste die Behauptung der Staatsanwaltschaft Stuttgart, dass der Massenörder seine Tat im Internet vorher angekündigt hatte wieder zurücknehmen. Auch hier waren es nicht amtliche Ermittler, die die Staatsanwaltschaft widerlegten, sondern zivile/privtae.

     

    Für blindes Vertrauen in Ermittlungs-Behörden gibt es in Ba-Wü keinen Grund. Was Herrn Tauss bestätigt. Siehe tauss.de

  • PL
    Pippi Langstrumpf

    Tja, die individuellen Motive gegen Überwachung sind eben höchst unterschiedlichen Ursprungs.^^

    Wenigstens in Zukunft ist also Vorsicht geboten: nicht gleich allen, die gegen "Überwachungsstaat" schreien gleich den roten Teppich auslegen, nur weil sie das gleiche Ziel verfolgen.

    Mal ganz davon abgesehen, aus welchem Motiv heraus DIESER Politiker nun tatsächlich gehandelt hat (nur er selbst weiß es letztendlich), dürften direkte/indirekte Vergewaltiger sich ebenfalls über "die totale Überwachung" mockieren.

  • KG
    k. geibel

    Tauss muss den Bundestag verlassen, auch um den Themen, die ihm (angeblich?) am Herzen liegen, nicht zu schaden. Kein Politiker wird wie Tauss für Datenschutz und Freiheit im Internet kämpfen, solange er sich damit neben den Schmuddelpolitiker aus Baden-Württemberg stellt. Und noch ein Skandal findet in diesem Zusammenhang weitgehend unbeachtet statt: Tauss' Anwalt Mönikes ist selbst SPD-Bundestagskandidat (www.moenikes.de). Kann man im Ländle nur Schmutzfinken wählen?

     

    Sonny

  • T
    trapanal

    Wenn ein Abgeordneter der Meinung ist, dass ihn das BKA nicht unabhängig und ausgewogen zu einem Thema informiert, wie soll er sich dann ein Urteil bilden?

     

    Halten Sie das BKA in der Sache etwa für neutral?

  • HF
    Heiko Fresemann

    Ich verstehe überhaupt nicht, dass dieser Mann nach wie vor im bundestag sitzt und meine Steuereuros für sich in Anspruch nimmt als Diät.

    Da er die anderen Ämter bereits abgegeben hat, nur das bezahlte noch weiter machen will, ist es um so bedenklicher. Verstehe auch nicht, warum seine Parteigenossen ihm dieses nicht nahelegen.

  • I
    Iris

    "Muss sich ein Außenpolitiker in ein Terrorcamp einschleusen, um seine Arbeit machen zu können? Sollte ein Drogenpolitiker heimlich Heroin kaufen, um den Drogenmarkt zu verstehen?"

     

    Das wäre zumindest nicht verkehrt. Leider ist es eher die Ausnahme, dass ein Politiker über Dinge debattiert und über Dinge beschließt, von denen er auch Ahnung hat. So täte es Herrn Schäuble und Frau von der Leyen durchaus gut, selbst mal etwas intensiver zu recherchieren über die Verbreitungswege von KiPo. Sie würden dann schnell feststellen, dass man in der Regel über das WWW gar nichts mehr findet und somit auch die meisten Internetsperren und -kontrollen völlig wirkungslos sind.

     

    Also, Herr Schmidt, so schlecht fand ich die Idee von Tauss nicht. Allerdings hätte er sich besser absichern sollen, zumindest seinem Büro von seinen Unternehmungen erzählen sollen. Dann stünde er jetzt besser da.

  • JD
    Jan Dark

    Der Kommentar ist unsachlich. Von mir wurde Tauss gewählt, auch zielführende Polittik gegen Kinderschänder zu machen. Seit Zandvoort 1998 ist bekannt, dass die Polizei manchmal Teil des Problems ist und nicht hilfreich bei der Bekämpfung von Kinderschändern ist. Auf private Initiative von Menschen hin, die in Deutschland die Beweismittel nicht besitzen dürfen, sind die Polizisten dreimal an einen Tatort gegangen, der in verbotenen Bildern zu erkennen war, nach dem sie beim ersten Mal unfähig waren, Beweise zu finden. Durch die Penetranz der Besitzer von verbotenen Bildern wurden die Kinderschänder dann doch noch dingefest gemacht. Einen anderen Fall gab es im Fernsehen: als verbotenen Bilder gezeigt wurden, wurden die Täter gefasst. Ein unreflektiertes Abheben auf das Besitzverbot kann auch ein Täterschutzprogramm sein. Das Strafgesetzbuch sagt übrigens nicht von einem Monopol der Strafverfolgungsbehörden für den erlaubten Besitz zum verfolgen dienstlicher Pflichten. Das sind unsachliche Darstellungen.