Kommentar Kinderbetreuung: Divergierende Familienbilder
Im Schnitt bleiben bei der Kinderbetreuung 80 Prozent der Mütter bis zu drei Jahre, die Väter aber höchstens zwei Monate zu Hause. Gleichberechtigung in der Familie sieht anders aus.
E s klingt nach einem abgeschmackten Vorurteil, dass die Frauen im Westen der Republik nach der Geburt lieber erst einmal zu Hause bleiben. Aber was soll man sagen angesichts der aktuellen Zahlen: im Osten wird jedes zweite Kind unter drei nicht zu Hause betreut, in den alten Bundesländern nicht einmal jedes fünfte.
Liegt das wirklich nur an der fehlenden Infrastruktur und daran, dass der Osten auf ein "historisch gewachsenes" Betreuungssystem zurückgreifen kann? Oder schlägt sich darin schlicht der, zugegebenermaßen schon zu oft beschriebene, Mentalitätsunterschied zwischen Ost und West nieder: In den ersten drei Jahren gehört das Kind eben zur Mutter, und zwar ganztägig. Da mag die ostdeutsche Frau, selbst in einer Kindertageseinrichtung sozialisiert, eben ein anderes Verständnis von normaler Familie haben.
Eigentlich ist es aber auch egal, ob Kinder in den alten Bundesländern seltener außerhalb der Familie betreut werden, weil es zu wenig Möglichkeiten gibt. Oder ob es weniger Betreuungsmöglichkeiten gibt, weil sie von den Eltern nicht ausreichend nachgefragt werden. Und auch die Frage, was dem Wohle der Sprösslinge mehr dient - drei Jahre im Schoß der Familie oder in einer Gruppe mit Gleichaltrigen -, möchte doch bitte jede(r) für sich und die Liebsten selbst beantworten.
Manuela Heim ist Volontärin im Inlands-Ressort der taz.
Kritisch bleibt aber: Was macht das mit einem Verständnis von Familie, wenn 80 Prozent der Mütter bis zu drei Jahren zu Hause bleiben und die Väter in der Regel höchstens zwei Monate übernehmen? Zum Wohle der Gleichberechtigung - ob in der Familie oder im Arbeitsleben - ist das jedenfalls nicht.
Und auch das eingangs beschriebene Vorurteil müssen sich die betreffenden Frauen dann wohl oder übel gefallen lassen.
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