Kommentar Kika-Prozess: Aufarbeitung dringend nötig
Der Kika-Prozess weist weit über den eigentlichen Fall hinaus. ARD und ZDF müssen nachforschen, wo es noch Schwachstellen im Umgang mit Gebührengeldern gibt.
B eim Kika-Prozess in Erfurt wird zumindest eins immer klarer: Eine umfassende Aufarbeitung, was da im öffentlich-rechtlichen System zwischen Kinderkanal und MDR unter wessen Verantwortung schief lief, mag und kann das Gericht nicht leisten. Niemand der bereits einvernommenen Zeugen wird nochmals bemüht, obwohl der Prozessverlauf vor allem an die Adresse der beiden KiKa-Programmgeschäftsführer Frank Beckmann (2002-2008) und Steffen Kottkamp (seit Ende 2008) jede Menge neue Fragen bereithält. Und auch vom Fernsehdirektor des MDR, der die Zahlungsanweisungen des ehemaligen Herstellungsleiters an sich selbst gegenzeichnete, hätte man gern noch etwas gehört.
Doch dem Gericht geht es um den Strafprozess. Der Angeklagte ist geständig, der Ablauf seines Millionenbetrugs weitestgehend rekonstruiert und nachvollzogen. Dass es beim Kinderkanal wie beim MDR in Sachen Aufsicht und Kontrolle extreme Schwachstellen gab, ist überdeutlich belegt. Sie waren hahnebüchenderweise den Verantwortlichen auch überwiegend bekannt und vor allem vom ZDF klar benannt worden.
All das wird strafrechtlich wohl ohne Bedeutung bleiben. Aber allein der laxe Umgang mit Kontrollpflichten und entsprechenden Dienstanweisungen beim Kika wie beim MDR, den der ZDF-Revisor ganz ungeniert "unakzeptabel" nennt, spricht Bände. Der MDR-Intendant hat natürlich mit all dem nichts zu tun: Er tritt zur Sicherheit dann eben aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig ab und erklärt die Angelegenheit für den MDR nonchalant für erledig. Von wegen!
STEFFEN GRIMBERG ist Medienreporter bei der taz.
Natürlich spielt hier auch das ehrpusselige Verhältnis der öffentlich-rechtlichen Anstalten untereinander eine Rolle. In diesem Fall machte man es sich aber zu leicht mit dem Einwand, das ZDF wolle sich nur auf Kosten der ARD bzw. des MDR profilieren. Die Aufsichtsgremien beider gebührenfinanzierter System müssen hier endlich richtig ein- und nachhaken. Denn der Kika hat keine eigenen Gremien – sondern läuft quasi nebenbei und nur am Rande bei MDR und ZDF mit durch. Zukunft hat dieses Modell nicht. Zudem weist der Fall weit über den Kika hinaus – und stellt die Frage, wo vielleicht noch überall der Umgang mit Gebührengeldern auf dem Papier zwar präzise geregelt sein mag, aber in der Praxis ganz anders läuft.
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