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Kommentar Kandidatenkür der SPDLob der Troika

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die SPD hat keinen idealen Kandidaten für das Kanzleramt. Deswegen ist es nachvollziehbar, dass sie sich mit der Ernennung Zeit lässt.

B ei den Grünen will Jürgen Trittin als Spitzenkandidat antreten. Ist es nicht nahe liegend, dass auch die SPD ihr Troika-Rätsel löst und dem Publikum kundtut, wer in einem Jahr gegen Merkel antritt?

Durchaus nicht. Zum einen ist dies eine medial befeuerte Debatte. Parteien sind selten gut beraten, ihre Eigenlogik öffentlichen Stimmungen zu opfern. Der Applaus dafür ist flüchtig, der nachhaltige Eindruck oft, dass sie sich treiben lassen. Vor allem aber würde die SPD mit einer zu frühen Kandidatur ihre ohnehin überschaubaren Chancen 2013 noch weiter verringern.

Ein Jahr kann selbst für einen überzeugenden Kanzlerkandidaten, der in der Öffentlichkeit blendend ankommt, sympathisch und verlässlich wirkt, und der seine Partei geschlossen hinter sich weiß, eine sehr, sehr lange Zeit sein. Die SPD hat keinen solchen idealen Kandidaten. Alle drei, Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier, haben ins Auge fallende Schwächen. Bei Gabriel sind das das Unstete, Wankelmütige, bei Steinbrück die Neigung zu Arroganz und Beschimpfungen der eigenen Partei, bei Steinmeier das allzu Moderate und Blasse.

Bild: taz
STEFAN REINECKE

ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

All diese Schwächen werden im Wahlkampf ohnehin ausgeleuchtet. Warum sollen die Sozialdemokraten ihren Wackelkandidaten also schon jetzt in die Manege schicken? Dort wird er es noch früh genug mit einer kampferprobten Gegnerin zu tun bekommen, die gerade in Langstreckendisziplinen versiert ist.

Viele Wähler vermuten, dass am Ende sowieso eine große Koalition unter Merkels Führung stehen wird – gerade angesichts der anrollenden Wirtschaftskrise. Die SPD sollte da selbstbewusst bei ihrem Zeitplan bleiben und ihren Kandidaten im Februar 2013 nach der Wahl in Niedersachsen benennen. Falls Rot-Grün in Hannover siegt, könnte dies zeigen, dass die SPD doch mehr als einen Vizekanzlerkandidaten aufstellt. Die Sozialdemokraten werden in dem Wahlkampf nicht viel Pulver haben. Fahrlässig wäre, es zu verschwenden.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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9 Kommentare

 / 
  • JO
    J. Overstolz

    Bloss keine Personalisierung von Sachfragen, ganz recht.

    Die Leute draußen sind der Krise müde, empfinden Politik als wirkungslos und haben keine großen Hoffnungen mehr.

    Durch Abwarten und Taktieren und ein paar, von ihrem PR-Department gut plazierte salbungsvolle Sprüche kann Merkel noch die Sicherheits-bedürftigen auf ihre Seite ziehen, während die Opposition versuchen muss, in einer extrem schwierigen Krise die am wenigsten teure Lösung vorzuschlagen.

     

    Der Gang nach Canossa, das Einknicken vor Troika und/oder Draghi steht der Frau ohne Eigenschaften vermutlich schon in diesem Herbst bevor. Deshalb muss die Opposition jetzt und nicht erst morgen ihr Profil schärfen.

    Mit der Stärkung Europas im globalen Wettbewerb als Hauptargument wird die SPD keinen mehr hinter den Ofen hervorlocken (denn genau diese neoliberale Globalisierung zerstört gerade die Vielfalt Europas - wie toll war Griechenland in den 80ern).

     

    Mit strengen Maßnahmen, z.B. einem drastischen haircut bei jenen, die an der Krise verdient haben, und Vorschlägen, die Haftung und Verantwortung für die Krise sehr plastisch einfordern und wahrnehmbar machen, vielleicht schon eher.

  • O
    Oli

    Was Stefan Reinecke nicht schreibt, ist, dass die SPD keinen geborenen Kandidaten hat. Es gibt in der SPD keinen einzigen namenhaften Politiker, der Inhalt, Wahlerfolg und attraktive Medienpräsenz anbieten kann. Entweder es fehlt der Inhalt oder die attraktive Medienpräsenz - Wahlerfolge gibt's bei keinem einzigen dieser tolllen Troika. Das alleine ist doch schon ein Problem und ein Hinweis, dass sich die SPD den Machtgewinn erstaunlich einfach vorstellt. Bisher hat jeder Bundeskanzler/in sich dieses Amt hart erarbeitet und dafür innerparteilich Machtkämpfe austragen müssen, bei denen es auch um zentale Inhalte ging.

     

    Im Prinzip ist mit die SPD sowieso nicht wichtig, aber: Die ziehen die Grünen mit und diskreditieren mit ihrer brüchigen Linie eben links-orientierte Reformpolitik in Deutschland. Und das geht mir gegen den Strich. Wenn die SPD für sich alleine langsam abbauen würde, damit könnte ich gut leben, aber die Wirkung in die Gesellschaft ist schlecht, deswegen braucht diese Partei einen solidarischen Tritt und zwar mit Anlauf. Die momentane Strategie ist nur Abbau auf Zeit: Ohne Roß und Reiter geht's nicht. Und Rot-Grün als Fortsetzung von Merkel und Schröder ist ein Ladenhüter, den keiner haben will.

  • F
    friedrich

    "...spd wird kaum pulver im wahlkampf haben..."

     

    warten wir ab bis zum 24.8.2012, dann wird Gertrud Höhler ihr Buch "DIE PATIN - Wie Merkel Deutschland umbaut" vorstellen.

     

    Da wird mehr Pulver geliefert, als alle jemals gedacht haben. Es wird merkel pulverisieren!

  • B
    Branko

    Wir befinden uns in einer vergleichbaren Situation wie unter Helmut Kohl.

    Merkel wird wieder Kanzlerin. Ob unter schwarz-gelb oder schwarz-rot.

     

    Und selbst, wenn wir tatsächlich eine rot-grüne Regierung kriegen sollten, was recht unwahrscheinlich ist, weil die Schweine immer ihre Metzger wählen, ist das aber auch egal, weil wir kriegen, wie die letzten dreißig Jahre durchgängig, weiterhin CDU-Politik - so oder so.

     

    Denn entweder regiert die CDU selbst.

    Oder eine andere Regierung macht entweder CDU-konforme Gesetze oder Gesetze, die die CDU bei ihrer nächsten Regierungszeit wieder rückgängig macht.

    So what?

     

    Die Partei, die diese Politik macht, ist doch nur den Parteien selbst nicht egal.

     

    Ich werde ohnehin eine andere Partei wählen - aber als Wähler einer Splitterpartei steht man ohnehin auf verlorenem Posten.

  • E
    Eremit

    Lieber Autor,

    das ist kein Spiel und auch kein Boxkampf. Es geht nicht um die Schwächen der Kandidaten, sondern um Ideenarmut, Kleinmütigkeit und Opportunismus ihrer Partei.

     

    Der Zustand der SPD wird durch alle drei Kandidaten korrekt gespiegelt.

    Und bei einer Partei, die keine Ideen hat, keine Alternativen will, unfähig ist, die Schröderschen Neoliberalen Irrwege als solche zu benennen, ist es auch logisch, keine glaubwürdige Verkörperung (vulgo Kanzlerkandidat) zu haben.

     

    Diesen entscheidenden Punkt haben Sie komplett ausgeblendet und eine eigentlich politische Frage auf dem Niveau eines Schlagercastings verhandelt: Wer darf denn jetzt das Solo singen?

    Aber das soll keine Kritik an Ihnen sein; denn erstens geht es um die SPD, und zweitens um ein Medium, daß sich vom Mainstream nur dann unterscheidet, wenn es um genossenschaftliche Finanzierung geht. Und in so ein Medium gehört eine scharfe Analyse gar nicht hinein.

  • R
    Rudi

    Die SPD hat zwei fundamentale Schwächen: Sie können nicht gegen Merkel echte Punkte erzielen. Es geht einfach kein Druck von der Partei aus. Und das mit Punkt zwei zu tun: Die SPD ist eine Partei ohne Projekt, ohne Ideologie und Vision. Eine Wechselstimmung lässt sich momentan mit dieser Partei und ihren Inhalten nicht schaffen. Das könnte sich nur ändern, wenn an der Spitze jemand sich durchsetzen kann, wie z.B. einst Lafontaine. Aber einen Matador gibt's bei der Partei nicht.

     

    Bleiben nur ein paar Gewissheiten: Die rechte SPD wird jedes Ergebnis als Rechtfertigung nutzen wollen, um Andrea Nahles loszuwerden. Mindestens eine Schuldige haben sie also schon in petto. Nur: was bringt das? Ansonsten wird die SPD wohl erstmals in ihrer Geschichte für brüchige Mehr-Parteien-Koalitionen offen sein, aber nur, weil sie muss, nicht weil sie will. Wer sich Parteitage anschaut, der erkennt, dass die Partei intern immer noch glaubt, man schreibe das Jahr 1988 oder 1998.

  • SS
    Sonja Sonne

    Die SPD - "Drillinge" Steinmeier, Steinbrück und Gabriel sind alle 3 neoliberal und eng mit ihrer Niedriglohn - und Leiharbeit- Agenda 2010 sowie dem Demütigungsgesetz Hartz IV verbunden.

     

    Wenn einer von denen Kanzlerkandidat wird, ist die SPD weiterhin unwählbar. Seit 1998 - 2005 haben sich weder die SPD noch die Grünen inhaltlich erneuert, in Richtung einer sozialen Politik.

     

    Tja, das kommt davon, dass Abgeordnetenbestechung in Deutschland nicht verboten ist! Die sind fast alle von den Banken und Arbeitgeberverbänden eingekauft. Widerspenstige Bundestagsabgeordnete werden mit der Drohung keinen Listenplatz mehr zu kriegen (und so künftig nicht mehr in den Bundestag zu kommen) auf die neoliberale ESM und Fiskalpakt-Linie gebracht. Die jeweilige Partei-Basis macht offenbar alles mit.

     

    Eine tolle Demokratie haben wir.

     

    Geldwäsche ist auch erlaubt in Deutschland - hat Monitor kürzlich berichtet. Deshalb ist u.a.die Mafia begeistert von unserem Land. Die bezeichnet die Deutschen laut einer Mafia-Expertin als "Volltrottel".

  • E
    e.a.

    Diese Troika hat die SPD 2009 in einen erfolgreichen Wahlkampf geführt und deswegen dürfen sie die SPD auch 2013 wieder im Wahlkampf vertreten. So funktionieren politische Sanktionsmechanismen.

  • R
    reblek

    "Die SPD lässt sich aus gutem Grund Zeit" - Klar, weil sie niemanden hat, der "glaubwürdig" eine Abkehr von Schröders "Agenda 2010" und Krieg repräsentiert.

    Aber schön, dass sich Reinecke mal wieder den Kopf der SPD zerbricht. Er sollte mal die Frage beantworten, welches "Projekt" die SPD in den vergangenen Jahrzehnten vorzuweisen hatte, mit dem jede® auch nur einigermaßen Linke einverstanden (gewesen) sein könnte. Fällt ihm da außer der Ostpolitik Willy Brandts noch etwas ein. Schon mit "Mehr Demokratie wagen" war es angesichts des von Brandt losgetretenen politischen Berufsverbots Essig. Und sonst: Schweigen im Walde.