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Kommentar JugenderwerbslosigkeitJung, gebildet und gefährlich

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Die Jugendarbeitslosigkeit ist auf bedrohlich hohem Niveau. Skandinavien zeigt, wie damit umzugehen ist. Der Rest der Welt sollte hinschauen.

I n Europa und in Nordamerika sind Jugendliche dauerhaft und massenhaft arbeitslos. 17,5 Prozent beträgt der Durchschnitt, Tendenz leicht fallend. Und warum verbessert sich die Statistik ein wenig? Weil Regierungen das Problem erkannt haben und dagegensteuern? Nein.

Die zumeist hervorragend ausgebildeten 15- bis 24- Jährigen ziehen sich schlicht resigniert vom Arbeitsmarkt zurück, sie melden sich also nicht mehr erwerbslos und fallen damit aus der Statistik. Arbeitsplätze sind für sie weiterhin nicht in Sicht. Auf sie wartet der Markt der prekären bis illegalen Jobs.

Das ist ein sozialer und gesellschaftlicher Sprengstoff, der, wenn er nicht bald entschärft wird, die Demokratien Europas und Nordamerikas stärker erschüttern und beschädigen wird als jedes andere Ereignis seit dem Zweiten Weltkrieg.

Bild: Kristin Flory
Andreas Zumach

ist taz-Korrespondent in Genf.

Schweden und die anderen nordischen Staaten machen erfolgreich vor, wie die Jugendarbeitslosigkeit trotz Krise der nationalen Volkswirtschaften auf einem vergleichbar niedrigen Niveau von unter zehn Prozent gehalten werden kann: mit Beschäftigungsgarantien und gezielten Qualifizierungsmaßnahmen für Jugendliche sowie Steuererleichterungen für Unternehmen, die vermehrt junge Leute einstellen. Die Kosten für derartige Programme machen meist nicht mehr als ein halbes Prozent des Bruttosozialprodukts dieser Länder aus. Peanuts.

Besonders dringend wären solche Programme in den am stärksten von der Krise betroffenen Staaten Griechenland und Spanien. Dort sind derzeit jeweils über 50 Prozent der Jugendlichen ohne regulär bezahlte Arbeit.

Statt rigide Spar-und Deregulierungszwänge sollten Deutschland und die anderen reichen EU-Staaten Maßnahmen zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit zur Bedingung für Hilfszahlungen an Athen und Madrid machen. Aber auf diese doch recht schlichte Idee ist im reichen Deutschland offenbar noch niemand gekommen.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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14 Kommentare

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  • B
    Bratpfannenkasper

    @ Pisa:

     

    Die Lösung ist ganz einfach. Da meine Generation ohnehin keine Rente zu erwarten hat, "hartze" ich eben so lange herum und gehe nebenbei "steuerfreien" Beschäftigungen nach, bis ich etwas Passendes gefunden habe und auch genommen werde.

     

    Wenn Sie mir ein zweites Studium/eine zweite Aubsildung finanzieren, habe ich tatsächlich noch die Chance mich neu zu orientieren.

  • WB
    Wolfgang Banse

    skandinavischen Ländern folgen

    Skandinavischen Ländern sollte man folgen,was die Bekämpfung der Erwerbslosigkeit,hier Jugenderwerbslosigkeit betrifft.

    Menscehn mit einem Handicap wird Arbeit verweigert,was den allgemeinen ersten Arbeitsmarkt betrifft.

    Niemand darf...die Realität ist eine andere,trotz Artikel 3 des Grundgesetzes,Disktiminierungsverbot und ratifizierte Un Behindertenrechtskonvention.

    Arbeit durch öffentliche Gelder zu finanzieren,kommt billiger als Erwerbslosjigkeit zu unterstützen.

    Das Recht auf Arbeit sollte Gesetzeskraft haben.

  • M
    mauersegler

    Die traurige Wahrheit ist, daß ein Großteil der jungen Menschen, auch mit guter Ausbildung und hoher Motivation, aus Sicht des ökonomischen neoliberalen Mainstream als Konsumenten zwar erwünscht, ansonsten aber völlig überflüssig ist. Wenn ich in einem Jahr 10 Autos kaputt fahre und neue kaufe, bewirkt das eine Steigerung des BIP und Wachstum - Wirtschaft und Politik jubeln einmütig! Wenn ich aber ehrenamtlich im Tier- oder Naturschutz tätig bin, hat das auf BIP oder Wachstum keinen positiven Einfluss und ist bei jeder Betrachtung über Sinn oder Unsinn menschlicher Tätigkeit durch Politik und Wirtschaft außen vor.

     

    Wir haben einfach nicht die richtigen, weil menschen- und umweltfreundlichen, Kriterien für den Wert menschlicher Tätigkeit in der Wahrnehmung der Politik. So lange sich das nicht ändert, und es bedarf sicher einer geistigen Revolution, damit es geschehen kann, wird von Arbeit, die aus Sicht der Ökonomen nicht zu Wachstum führt, niemand leben können.

  • P
    Pisa

    Liebe Bratpfannenkasperin,

     

    sie machen deutlich, was scheinbar gut ausgebildet letztlich ist: eine Illusion. Sie haben sich an einer Universität gebildet, aber für ein Berufsleben ausgebildet hat man sie dort nicht.

     

    Deswegen fragen die alten, spießigen Leute ja auch ständig die fiese Frage: Und was machst du dann später damit? Will meist niemand hören, weil das Thema ja soo spannend ist, und die anderen Berufe soo öde. Tja, und dann steht man da. Vollkommen am Bedarf vorbei, mit hunderten Mitabsolventen in einer Nische, die kaum Bewegung verheißt. Oder dachten sie irgendwie, dass Museen in Zukunft eine Boombranche werden?

     

    Aber wer hindert sie daran umzusatteln? Haben sie Geschichte o.ä. studiert? Tja, dann bleibt wohl nur Lehramt oder Sozialamt. Wo soll denn da die Beschäftigung herkommen, kaum Bedarf und jede Menge Angebot? Gute Bildung lässt einen schon vorher über so etwas nachdenken. Sie haben es nicht getan, das typische Retnerstudium vorgezogen und müssen jetzt gucken, sich neu Orientieren. Wo ist das Problem? Sie haben hier ja noch die Chancen dazu.

     

    Das hat aber auch gar nichts mit dem beschriebenen Problem zu tun: da kommen Leute, die qualifiziert sind und passen würden, nicht in den Arbeitsmarkt. Oft im Süden der EU wegen der Besitzstandwahrerei der Beschäftigen. Jetzt noch eine Wirtschaftsblase geplatzt, und schon ist essig. Natürlich hat man dort auch nicht an die Zukunft gedacht, es lebte sich ja so schön in der Blase. Jetzt heißt es auswandern, weil die soliden Strukturen fehlen.

     

    Beispiel Schweden: in den verlinken Artikeln zeigt sich, dass immer weniger Schweden Deutsch als Sprache lernen. Dumm gelaufen. Die paar "Trottel", die Deutsch gelernt haben stehen jetzt gut dar. Der Rest hat auf das trendige Spanisch gesetzt, die "Weltsprache". http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/sprachen-in-europa-deutsch-steigt-ab-a-805646.html Toll für den Saufurlaub, blöd für den Job.

  • A
    asdf

    Irgendwie scheint der Autor in den 90er Jahren stehengeblieben zu sein. Bei der Formulierung "reiches" Deutschland ist mir fast die Kaffeetasse aus der Hand gefallen...

  • B
    Bratpfannenkasper

    Die TAZ schreibt das Thema mal und es fällt sowieso wieder unter den Tisch, obwohl es wichtig ist.

     

    Ich spreche da nämlich aus leidlicher Erfahrung:

     

    Scheinbar gut ausgebildet, Akademiker, halt leider nur kein BWL oder etwas Naturwissenschaftliches, jede menge Bewerbungen und heraus kam meist nichts... Wie auch, wenn man, wie bei einer Stelle, mit über 1200 anderen Bewerbern konkurrieren muss - dabei ging es nur um einen kleinen Job in einem beschissenem Museum.

     

    Das nervt und frustriert und ich bin sicher auch nicht die Einzige mit diesem Problem.

     

    Jugendarbeitslosigkeit führt über kurz oder lang zu gewaltigen Problemen. Die Jugend ist angepisst von den ganzen leeren Versprechungen der Politiker, dem unerreichbaren und doch heimlich oder auch nicht heimlich begehrten Glamourleben irgendwelcher Promis und sonstiger Reichen. Irgendwelche Banken werden immer gerettet, nur die kleinen Leute nicht. Wenn sich dieses Gefühl weiter ausbreitet, dann sind die Folgen nahezu unberechenbar. Im Namen aller (Jugend)Arbeitslosen danke ich den dafür Verantwortlichen Wichsern und wünsche Euch viel Spaß mit den Folgen.

     

    P.S.: Altkluge Scheisserei nach dem Motto: "jeder ist seines Glückes Schmied", sollte man sich sparen!

  • FM
    F. Maus

    "Hallelujah , der Turm stürzt ein!"

    http://www.youtube.com/watch?v=5Ho5u9_EMSI

     

    Irgendwann wird auch der letzte merken, dass er ja gar nicht zu den wenigen gehört, die von dieser Gesellschaftsordnung profitieren.

    Rosa Luxemburg hat uns mitgegeben:

    "Eure »Ordnung« ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich [...] wieder in die Höh' richten und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: »Ich war, ich bin, ich werde sein!«"

  • BR
    Besser recherchieren!

    Die Zahlen für Skandinavien im Artikel sind komplett falsch. Wie schon matz weiter oben moniert hat. Dessen Quoten stimmen auch.

    Ich habe es selber überprüft, das hat 30 Sekunden gedauert. Wie kann es also sein, dass die Zahlen aus dem Artikel so stark abweichen?

    Wollte man die Zahlen entweder absichtlich falsch darstellen, oder hat man sie sich aus den Fingern gesaugt? Unter beiden Umständen ist man wohl eher kein ernstzunehmender Journalist.

  • MS
    Marc Sutton

    Auf alle Fälle eine lohnenswerte Idee aus Skandinavien. Sachlich fragwürdig ist allerdings die Formulierung des Autors der "gut ausgebildeten 15- bis 24-Jährigen". Setzt man eine zwölfjährige Schulpflicht wie in Deutschland voraus kann rein rechnerisch ein Jugendlicher frühestens mit 20 bzw. 21 Jahren seine Ausbildung abgeschlossen haben. Ein gut ausgebildeter 15-Jähriger erscheint mir so wahrscheinlich wie die christliche Jungfernzeugung...

  • L
    lol

    Lesen Sie eigentlich auch mal, was Sie schreiben? Mit 15 - 24 kann man wohl kaum "hervorragend ausgebildet" sein.

  • M
    matz

    Erinnert mich an die PISA-Studien. Statt zu Ergebnissen und Ursachen mal um die Ecke nach Sachsen ,Bayern und BaWü zu schauen, machen Politiker gerne Trips in andere Länder.

     

    Schade nur, dass die ausgesuchten Vorbilder meist im etwas kälteren Norden liegen (Warum eigentlich nie im Süden?). Andererseits ist Finnland als Reiseziel besser als gar nichts.

     

    Habe mal nachgeschaut.

     

    Laut Eurostat liegt die Quote im Juli 2012

    für Deutschland bei bei 8 %

    für Dänemark bei 14 %

    für Finnland bei 17,8 %

     

    Für Schweden soll die Quote im März 2012 22,8 % betragen haben.

     

    In Schweden will man der Jugendarbeitslosigkeit in Modellen übrigens mit niedrigeren Löhnen begegnen. Ob die Leute diese Beispiele hören wollen?

     

    Der Staat schafft jedenfalls keine Arbeit. Nur Arbeit schafft Arbeit; auch für Jugendliche.

  • UH
    Ulrich Hartmann

    "Skandinavien" ist wieder einmal das große Vorbild: nur zehn Prozent Jugendarbeitslosigkeit! In Deutschland sind es acht Prozent, aber wahrscheinlich sind zehn Prozent in Skandinavien besser als acht Prozent in Deutschland, schon aus Prinzip.

    Nun fordert Herr Zumach allerdings nicht, die skandinavischen Rezepte hier zu übernehmen, sondern das "reiche Deutschland" soll Länder wie Spanien und Griechenland mit finanziellem Druck dazu zwingen, sie bei sich anzuwenden. Die Begeisterung der "Südländer" über so einen Schritt kann man sich vorstellen, abgesehen davon, daß es rechtlich kaum geht. Und warum richtet er seinen Appell nicht an das "noch reichere Skandinavien"?

  • A
    AlteLeserin

    Ist ihr Schreiber in einem Schweizer Zeitloch gefangen? Oder gehen dort die Uhren einfach langsamer, sodass man erst bei 2003 angegekommen ist?

     

    Fakt im Jahr 2012 ist: Schweden hat 20 - 25% Jugendarbeitslosigkeit, und damit ist jeder vierte Jugendliche ohne Job.

     

    http://delengkal.de/2010/09/wahlkampfthema-jugendarbeitslosigkeit-in-schweden/

     

    Gute Zahlen nur in den Niederlanden, Deutschland, Österreich und der Schweiz.

     

    Vielleicht aber gibt es in Schweden bald auch dafür eine Quote, sodass zumindest arbeitslose Mädchen errettet werden.

     

    http://sverigesradio.se/sida/artikel.aspx?programid=2108&artikel=5182946

    "Schweden will von Deutschland lernen"

     

    Dort wird jetzt der Mindestlohn für Jugendliche gekürzt: http://sverigesradio.se/sida/artikel.aspx?programid=2108&artikel=4950144

  • G
    goldi

    Juhu

    Es tut sich etwas

    Durch Technologisierung werden immer mehr Arbeitsplätze verdrängt. Die Menschen sollen aber immer länger arbeiten gehen, damit die Renten bezahlbar bleiben.

    Endlich kracht es an allen Ecken und Enden im System. Ich hoffe, dass die Jugend dann mit diesm alten Sch.... aufräumt.

    Ein Hoch auf die neue Generation!