Kommentar Jugendarbeitslosigkeit: Merkel abwählen
Um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, müssten Stellen geschaffen werden. Angela Merkel will lieber den Arbeitsmarkt weiter deregulieren.
E s gehört schon gehörig viel Chuzpe dazu, sich wie Angela Merkel anlässlich des europäischen Beschäftigungsgipfels in Berlin hinzustellen, tiefe Betroffenheit über die vielen arbeitslosen Jugendlichen zu inszenieren und zu predigen, Europa könne jetzt von Deutschlands Erfahrungen bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit profitieren.
Schließlich ist die Bundeskanzlerin eine derjenigen, die die rigide Spar- und Kürzungspolitik, Hauptgrund für die galoppierende Arbeitslosigkeit in Europa, mit vorantreibt.
Statt einfachsten ökonomischen Sachverstand anzuwenden – erst einmal müsste man die Stellen wieder schaffen, in die die Jugendlichen vermittelt werden sollen –, basteln die europäischen Staats- und Regierungschefs bereits seit Wochen an fast wirkungslosen Paketen: hier ein bisschen mehr Geld für den Studentenaustausch, dort ein – unverbindlicher – Anspruch, dass man als Jugendlicher nach vier Monaten ohne Stelle mal einen Praktikumsplatz angeboten bekommt. Europas Jugend kann sich bei solchen Antworten in großen Teilen zu Recht veräppelt fühlen.
ist Redakteurin im Inlandsressort der taz.
Merkel ruft sogar nach mehr Deregulierung auf dem Arbeitsmarkt. Auch für ältere Beschäftigte müsse das Arbeitsrecht flexibilisiert werden, findet die Kanzlerin. Damit also auch Ältere künftig so schnell gefeuert werden können wie die junge Generation in den Krisenländern, muss man hinzufügen. Seit Jahren ist zu beobachten, dass die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte für Jugendliche dazu geführt hat, dass sich prekäre Beschäftigungsformen wie befristete Stellen oder Kettenverträge ausweiten. Die Folge: In der Krise wurden Jugendliche in prekären Arbeitsformen als Erste massenweise vor die Tür gesetzt.
Wenn man also eines lernen kann aus dem Wahlkampfspektakel, das die Bundesregierung und die europäischen Staats- und Regierungschefs am Mittwoch in Berlin veranstaltet haben, dann das: Angela Merkel und ihre Politik gehören im September abgewählt. Das wäre ein hoffnungsvolles Zeichen für Europas Jugend.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern