Kommentar Jauch statt Will: Rechristiansenisierung
Für eine kritische und pluralistische Öffentlichkeit ist die Berufung Jauchs ein Rückschritt. Will hatte das Sendungsprofil nach links verschoben, Jauch steht für Bürgerlichkeit.
Nun also doch. Dreieinhalb Jahre nachdem Günther Jauch schon einmal als Nachfolger von Sabine Christiansen für den prominenten Polittalk-Sendeplatz am Sonntagabend in der ARD im Gespräch war, ist der Deal nun perfekt. Die ARD-Oberen feiern das jetzt als "perfekten Coup".
Unter Marketingsgesichtspunkten mag das stimmen. Für eine kritische und pluralistische Öffentlichkeit ist diese Berufung allerdings ein Rückschritt. Nicht nur, weil man sich am omnipräsenten Dackelblick des populären TV-Moderators längst sattgesehen hat. Sondern auch, weil mit seiner Verpflichtung eine "Rechristiansenisierung" des sonntäglichen Polittalks droht. Hatte Anne Will das Profil ihrer Sendung deutlich nach links verschoben, so steht der mehrfache Millionär und Villenbesitzer aus Potsdam, der sich auch ein wenig karitatives Engagement leistet, nun wieder für bürgerlich-konservative Werte.
Daniel Bax ist Meinungsredakteur der taz.
In Jauchs Verpflichtung zeigen sich die frappierende Mutlosigkeit und der tief sitzende Minderwertigkeitskomplex des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Statt stolz zu sein auf die Stars, die man wie Anne Will oder Frank Plasberg aus eigener Kraft aufgebaut hat, und es als Kompliment zu betrachten, wenn sie - wie Günther Jauch - eben irgendwann der besseren Verdienstmöglichkeiten wegen zur privaten Konkurrenz wechseln, schielt man immer wieder neidvoll auf deren Quoten. So kommt es, dass man einem massentauglichen Mainstreamstar wie Jauch nun den roten Teppich ausrollt und dafür das journalistische Eigengewächs Anne Will quasi zur Zwischenlösung degradiert.
Das also plant die ARD mit dem vielen Geld, das sie durch die anstehende Neuregelung der Rundfunkgebühren einzunehmen hofft. Innovation sieht wahrlich anders aus.
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