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Kommentar Jade-Weser-PortAufbau Süd in Friesland

Kommentar von Benno Schirrmeister

Der neue Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven wird von Niedersachsen bezahlt. Profitieren wird man aber vor allem im Süden.

C hampagner jetzt! Ja, die Eröffnung des Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven ist ein Grund zur Freude. Die Korken dürften bei den Reedern knallen – und vor allem in den süddeutschen Staatskanzleien. Denn das Milliardenprojekt beweist: Es klappt noch immer, die Kosten für die Hafeninfrastruktur auf Niedersachsen und das – warum wohl! – total überschuldete Bremen abzuwälzen.

Als Anfang der 2000er Jahre die Vorplanungen für das Projekt liefen, gab es die Hoffnung auf private Koinvestoren und eine Teilfinanzierung durch den Bund. Die Reedereien reagierten darauf mit Schweigen. Das Bundesverkehrsministerium erteilte eine schroffe Absage – ganz, als wäre Hafenbau nur norddeutsche Folklore.

Nach dieser Logik müsste man die Bayern dazu verdonnern, ihre Autobahnen selbst zu bezahlen. Oder den Stuttgartern nahelegen, die Rechnung für ihren irren Bahnhof mal schön aus dem Landeshaushalt zu begleichen.

Benno Schirrmeister

ist Redakteur bei taz-Nord.

Nur hat jede Autobahn mehr regionalwirtschaftliche Effekte als der Jade-Weser-Port: Keiner spricht mehr von den einst prophezeiten 6.000 neuen Arbeitsplätzen in der Region, sogar Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), erklärter Fan des Projekts, erwartet nur noch plus 2.000 Stellen am Jadebusen, der alte Träumer. Aber selbst in diesem Fall wäre noch ’ne halbe Million Euro pro Arbeitsplatz aufgewendet worden – ein teures Jobwunder.

Nur ein Prozent der Güter, die in Wilhelmshaven umgeschlagen werden, sind für die Region bestimmt. Die nennenswerten wirtschaftlichen Effekte, die der Hafen zweifellos zeitigen wird, ergeben sich eher in Ingolstadt, Stuttgart oder München als in Friesland. Die ökologischen Lasten und die finanziellen Kosten aber trägt der Norden – zu 100 Prozent.

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Reporter und Redakteur
Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.
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3 Kommentare

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  • O
    Onno

    Aus ökologischer Sicht ist eine Elbvertiefung einfach teurer Wahnsinn. Darum ist der JWP wichtig. Wilhelmshaven ist am richtigen Standort, wir sollten von den Chinesen lernen. Man kann nicht ewig alles tot schreiben in einer deutschen Exportnation. Sicherlich braucht es mehr Verkehrsinvestitionen im friesischen Raum, zum Beispiel ein Weiterbau des Ostfriesenspiesses durch Ostfriesland zum JWP oder die Ostfriesische Küstenbahn oder die A22. Aber auch Energieautonomie durch geeignete Windkraftanlagen. Niedersachsen hat eine historische Verantwortung gegenüber Wilhelmshaven, der sie selten gerecht wird. Zu viel Geld Niedersachsens versickert im Dreieck um Hannover. Friesen verstehen sich kulturell nicht als Niedersachsen. Friesen sollten nicht mehr so wirtschaftlich isoliert und diskriminiert werden. Es war Wilhelmshaven, in dem die Novemberrevolution ihren Anfang nahm. Kein Denkmal des Bundes erinnert daran. Wilhelsmhaven braucht Unterstützung bei der Verkehrsanbindung, keine Neider und Runterschreiber.

  • AH
    Aus Haching

    Überall auf der Welt profitieren Städte davon, an Handelswegen zu liegen. Ein florierender Hafen war in der gesamten Geschichte der Menschheit ein Garant für Wohlstand, ob in Knossos, Venedig oder Lübeck.

     

    Bremen dürfte die einzige Stadt der Menschheitsgeschichte sein, die den Hafen als Last empfindet. Hört man aus Hamburg, Rotterdam oder Danzig Maulen über die Kosten des Hafens?

  • H
    Harro

    Große Containerhäfen, die tideunabhängig angelaufen werden können, erzeugen sogar Rationalisierungseffekte bei anderen Häfen und Hafenbetrieben, weil sie dort Handels- und Umschlagvolumen abzweigen. Neutral könnte der Hafen nur bei massivem Wirtschfatswachstum in Betrieb genommen werden. Wahrscheinlich killt der Jade-Weser-Port Arbeitsplätze an anderer Stelle. Großprojekte wie der Jade-Weser-Port sind extrem teuer und für die Entwicklung des Arbeitsmarkts praktisch eher negativ, als positiv.

     

    Und da kann ich nur sagen: Der Wähler wird nie über die wahren Kosten, den wahren Nutzen und über Langzeitfolgen aufgeklärt. Letztlich traf ich einen Mitarbeiter von Airbus, pardon Mitarbeiter einer Verleihfirma. Der Mann kann von seinem Lohn nicht leben, muss beim Jobcenter sich Geld für seine Kinder holen.

     

    Und genau dieser Betrieb wurde in Norddeutschland mehrere Jahrzehnte mit Geld überschüttet. Angeblich wäre Airbus ein ganz toller Produzent von Wohlstand und Arbeitsplätzen. Das war immer die Logik und heute gibt's dort arme Leiharbeiter, für die wieder der Staat aufkommen muss?

     

    Ich bin mal gespannt, welche miesen Unternehmen im Jade-Weser-Port bereits Schlange stehen, um die wenigen entstandenen Arbeitsplätze dort auf das Niveau von Armutslöhnen zu bringen.

     

    Und dann mal ein Blick auf die Region: Wilhelmshaven, Cuxhaven, Bremen oder Bremerhaven - hier verschwinden Arbeitsplätze, Menschen ziehen weg. Da wäre ja fast eine ausgezahlte Konsumprämie an jeden Einwohner dieser Orte produktiver gewesen als die Finanzierung dieses Turbo-Hafens. Gerade in solchen Strukturschwachen Gebieten brauchen wir eine andere Wirtschaftspolitik mit einer vollkommen anderen Perspektive.

     

    Die Gleichung

    Großprojekt = Investition = Arbeitsplätze = Wohlstand funktioniert heute nicht mehr.