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Kommentar Italiens MafiaAuch ein deutsches Problem

Ambros Waibel
Kommentar von Ambros Waibel

Wir sollten uns unsere eigene Arroganz und Ignoranz gegenüber diesem organisierten Verbrechen eingestehen.

D as Wort "Mafia" umgibt im Alltag oft ein popkultureller Glamour. Doch die italienische Mafia von heute ist keine romantische Angelegenheit: Für sehr viele Menschen, die in Kampanien, in Kalabrien und auf Sizilien - also mitten in Europa - leben, ist sie ein Albtraum, der ihr Leben und das ihrer Familien zerstört. Wer sich vor Ort gegen ihre Organisationen auflehnt, geht ein großes persönliches Risiko ein - und hat schon allein deswegen unsere Unterstützung verdient.

Dazu brauchte es im Grund nicht viel: ein wenig mehr und kontinuierlichere Aufmerksamkeit durch Medien, Politik und Polizei. Das Eingestehen möglicher eigener Arroganz und Ignoranz gegenüber diesem organisierten Verbrechen. Und ein bisschen Nachdenken über das Faszinosum "Mafia", das hunderte Hollywoodfilme - und keinesfalls nur schlechte - mit geprägt haben.

In Deutschland war das bisher schwer zu vermitteln. Nicht nur, weil Italien fern und die Mafia als exotische Folklore erschien. Sondern auch, weil sich in ihrer Skepsis gegenüber dem Staat vom Linksradikalen bis hin zum überhitzten FDP-Wähler lange viele einig wussten. Erst seit der weltweiten Finanzkrise und dem massenhaften Verscherbeln öffentlichen Eigentums, euphemistisch "Privatisierung" genannt, ändert sich das. Immer drängender stellt sich die Frage, wer eigentlich womit - und mit welchen Mitteln - das Geld verdient, mit dem öffentlicher in privaten Besitz übergeht.

Bild: Alexander Janetzko

Ambros Waibel ist Meinungsredakteur der taz.

Mehr als 90 Millionen Euro soll die Mafia hierzulande seit der Wiedervereinigung allein in Hotels, im Baugewerbe oder in Immobilien investiert haben. Und der Mord an sechs Italienern in Duisburg vor drei Jahren durch ein Killerkommando hat gezeigt, dass diese Kriminalität längst auch ein deutsches Problem geworden ist. Dagegen regt sich in Deutschland nun ziviler Widerstand.

Der italienische Staatsanwalt Vicenzo Macrì sagt: Das Geld aus dem Drogenhandel untergräbt unsere Demokratie. Und er fordert: Wer sich mit Drogen wie Kokain kaputtmachen will, soll sich das Zeug in der Apotheke kaufen. Ihre Legalisierung würde die Mafia-Syndikate eindämmen. Nicht nur in Italien sind Ermittler deshalb ganz offen dafür - auch in Deutschland gibt es solche Stimmen.

Die Politik aber schweigt. Dass es auf diesem Feld keine einfachen Antworten gibt, kann aber keine Ausrede dafür sein, die Hände in den Schoß zu legen.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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6 Kommentare

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  • M
    mike

    Die Frage stellt sich in Deutschland sowieso: wem gehört dieses Land? Dem Volk? Wohl nicht. Der Mafia und deren deutschen Helfershelfern in Politik, Wirtschaft und Medien? Wohl eher.

  • J
    J.Amazonas

    Zwanzig Jahre (in etwa die Berlusconi-Jahre) habe ich gebraucht, um mir den reflexhaften, verklärenden deutschen Italien-Mythos abzugewöhnen. Gemeinsam mit den Ausgrabungen in Pompeji brechen soeben die Rest ein. Berlusconi war mir eine Lektion im Politischen, wie weit die unkontrollierbare Eigenmächtigkeit eines Einzelnen mitten in Europa heutzutage noch trägt und wie tief ein EU-Land gegen alle modernen demokratischen Prinzipien auf das frühneuzeitliche Niveau eines “Principe” zurückfallen kann. Im Staatlichen die für einen Mitteleuropäer schlicht unfassbare Erfahrung eines Staatsversagens von der staatlichen Gesundheitsversorgung über prozedurale Rechtssicherheit bis hin zur Steuererhebung. In manchen Gebieten findet all dies schlechterdings nicht statt. Im Wirtschaftlichen die bekannten, aber meist als Folklore abgetanen und vom normalen Touristen gar nicht gesehenen, als Wirtschaftsfaktor systematisch unterschätzen Mafien. Im Umweltbereich eine kaum noch steigerungsfähige, kriminelle Müllwirtschaft, die Campanien in eine wilde Müllkippe für Sondermüll verwandelt hat, sowie hemmungslose Schwarzbauten in Naturschutzgebieten, gegen die kein Staat einschreitet.

    Und der Michel bestellt sich erst einmal einen latte macchiato und blinzelt in die Sonne.

  • G
    Galeere

    Die Untätigkeit gegenüber Mafia-Aktivitäten hat m.E. System. Die Drogen-Milliarden scheinen mir sehr willkommen. Dank Währungsunion und Schengen-Abkommen muss man sich keine Sorgen mehr machen erwischt zu werden, wenn man vollgepackt mit Euro-Scheinen und bis an die Zähne bewaffnet (Sichwort Duisburg) die Staatsgrenzen überschreitet. Das Geld wird vermutlich in Ostddeutschland und -europa investiert. Denn in strukturschwachen Gebieten ist jeder Zent willkommen. Gegen die Geldwaschanlagen in Restaurants und anderen Betrieben ist sowieso kein Kraut gewachsen. Pecunia non olet.

  • IN
    Ihre Name? Achmed

    Selbstverständlich ist die volle Legalisierung aller Drogen sowie deren kontrollierte Abgabe über Staatsläden der einzige Weg, um die beiden kapitalistischen Paradepferde "Angebotsmonopolisierung" und "Gewinnerwartung" vor der Kutsche sinisterer Gewinnlernaturen nachhaltig an die Kandare oder besser noch zur Schlachtbank zu führen.

    Solang Menschen wie Brüderle Wirtschaftsminister sind müssen wir allerdings fürchten, dass die staatlich kontrollierte Abgabe von Kokain und anderen Drogen bald wieder privatisiert wird ...

    Sorry: Ohne Systembruch keine wirkliche Verbesserung.

  • AO
    Alessandro Ogheri

    Danke für den Artikel, der sehr interessant und informativ ist.

    Wichtig ist, wie hier auch gesagt wird, dass die Leuten die Mafia nicht unterschätzen, und nur als Folklore betrachten, weil das genau ist, was die Mafia sich wünscht, um ungestört ihre Geschäfte weiter zu machen.

     

    MfG

    Alex Ogheri

  • H
    Hans

    Den Deutschen fehlt noch die Einsicht. Die Mafia hier sieht man nicht so schnell wie in Calabrien oder Siziellien. Und in Deutschland sind nicht nur Italiener, sondern noch zig andere ...