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Kommentar Italien und EUDie Rente ist es nicht

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

Italiens Modernisierungsoffensive müsste bei seiner Verwaltung einsetzen. Das brächte weit mehr als die von der EU fetischisierte "Renten- und Arbeitsmarktreform".

W ie ein Schuljunge" sei er auf dem europäischen Gipfel abgewatscht worden - dies Silvio Berlusconis Resümee aus Brüssel. In der Tat ließen Merkel und Sarkozy jede diplomatische Etikette fahren, als sie auf Berlusconi angesprochen wurden, ganz so als sei der nicht Regierungschef der drittgrößten Volkswirtschaft in der Euro-Zone, sondern bloß eine Witzfigur.

Und Berlusconi? Trotz der Demütigung beeilte er sich zu liefern. Der Italiener Lorenzo Bini Smaghi, fordert er, solle jetzt umgehend seinen Platz im EZB-Direktorium für einen Franzosen räumen; zudem berief er eine Kabinettssitzung ein, um die von der EU geforderte Rentenreform auf den Weg zu bringen.

Dass Berlusconi diese Behandlung erfährt, muss man nicht weiter bedauern. Dass allerdings Italien als Ganzes Reue leisten soll für seinen diskreditierten Premier - dies leuchtet weit weniger ein. Gut möglich, dass Berlusconi bald von einer Notstandsregierung abgelöst wird. Die fände sich von der EU in die Ecke gedrängt, müsste auf die Schnelle die geforderten Renten- und Arbeitsmarktreformen verabschieden.

Der Autor

MICHAEL BRAUN ist taz-Korrespondent in Rom.

Doch dies sind gar nicht die wirklichen Baustellen im Land. Zwei Milliarden Euro in dem schon seit Jahren mit demografischem Faktor und allem Drum und Dran durchreformierten Rentensystem einzusparen, zudem bei heute schon hoch flexibel gestaltetem Arbeitsmarkt noch ein paar Arbeitnehmerrechte zu streichen: Dies wird Italien nicht auf den Wachstumspfad zurückbringen.

Italien ist aus ganz anderen Gründen für Investoren unattraktiv: Es verfügt über eine ebenso teure wie oft inkompetente Verwaltung, die immer wieder als Verhinderungsmaschine agiert. Hier müsste Italiens Modernisierungsoffensive beginnen; sie brächte weit mehr als die von der EU zum Fetisch stilisierten "Renten- und Arbeitsmarktreformen".

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Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.
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3 Kommentare

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  • DW
    damals wars

    "Gut möglich, dass Berlusconi bald von einer Notstandsregierung abgelöst wird. Die fände sich von der EU in die Ecke gedrängt, müsste auf die Schnelle die geforderten Renten- und Arbeitsmarktreformen verabschieden. "

     

    Was heißt Rentenreform? Es geht lediglich um Rentenkürzungen.

    Arbeitsmarktreform? Abbau von Arbeitnehmerrechten.

     

    Reformen sind positiv.

    Rentenkürzungen nicht. Abbau von Arbeitnehmerrechten nicht.

  • J
    Jemand

    "Dass allerdings Italien als Ganzes Reue leisten soll für seinen diskreditierten Premier - dies leuchtet weit weniger ein."

     

    Wenn ich mich richtig erinnere wurde Berlusconi 1994, 2001 und 2008 von der Mehrheit der Italiener_innen als Ministerpräsident gewählt.

  • A
    aurorua

    Es ist nicht nur ein Verbrechen, sondern Verrat an der "Demokratie".

    Egal ob Griechenland, Irland, Portugal, dann Italien und Spanien usw. Zur Rettung der durch Überschuldung reich gewordenen Millionäre, Multimillionäre, Banken, Versicherungen, Kartelle und Konzerne, wird mal wieder der kleine Arbeitnehmer, Angestellte und natürlich auch die Renter ausgepresst und ausgesaugt bis an die Schmerzgrenze.

    Ausbeutung des Menschen durch den Menschen diese kapitalistische und völlig undemokratische Prinzip wird hier auf die Spitze getrieben.

    Selbst das urdemokratische Recht auf Demonstration wird, wie in Griechenland, ausser Kraft gesetzt, weil von den gewählten Politikern der berechtigte Unmut der Bevölkerung völlig ignoriert und niedergeknüppelt wird.

    Haben die Reichen und Superreichen etwa alle ihre Privatarmeen oder weshalb traut man sich an die eigentlichen Verursacher der Krise nicht heran? Wenn man Arbeitnehmer und Rentner weit unter die Armutsgrenze drückt, weshalb wird dann nicht einmal über Enteignung von Millionären und Milliardären nachgedacht?