piwik no script img

Kommentar IrlandDer Teflon-Premier am Ende

Ralf Sotscheck
Kommentar von Ralf Sotscheck

Premier Ahern stolpert über seine privaten Finanzen. In Irland nichts Ungewöhnliches - Steuerhinterziehen ist dort bei den Reichen und Mächtigen an der Tagesordnung.

Bild: privat

Ralf Sotschek ist taz-Korrespondent in Dublin.

Das war selbst für "Teflon-Bertie" zu viel. Irlands Premierminister Bertie Ahern, der seinen Spitznamen der Tatsache verdankt, das bisher keine Kritik an ihm haften blieb, ist über Unregelmäßigkeiten bei seinen persönlichen Finanzen gestürzt. Überraschend ist das nicht. Irische Politiker haben schon immer gerne abkassiert, allen voran Fianna Fáil, die "Soldaten des Schicksals". Sie sehen sich weniger als Partei denn als "nationale Bewegung" und haben Irland mit kurzen Unterbrechungen seit 1933 wie ein Familienunternehmen regiert.

Und um Familienmitglieder kümmert man sich eben, selbst wenn es der Bevölkerung schlecht geht. Schon Anfang der Neunzigerjahre war die Verstrickung hochrangiger Politiker in abenteuerliche Korruptionsskandale aufgeflogen. Der größte Gauner war Premierminister Charles Haughey, der während seiner Amtszeit rund 20 Millionen Euro von Geschäftsleuten kassiert hatte. Ahern war damals Finanzminister, Haughey war sein Mentor.

Im Zuge des Wirtschaftswachstums der vergangenen 20 Jahre ist die Schere zwischen Armen und Reichen viel größer geworden. Bei denjenigen, die vom Boom am meisten profitierten, wuchs auch die Geldgier am stärksten. 2002 veröffentlichte ein Tribunal eine Liste mit 190 Namen, die sich wie ein "Who is who" der reichsten Personen Irlands liest: Bauunternehmer, Bankiers, Architekten, Geschäftsleute, Ärzte, Piloten, Politiker. Es ist eine Liste von Steuerhinterziehern, die den irischen Staat jahrzehntelang um Milliarden Euro betrogen haben. Dagegen wirkt Ahern wie ein Amateur.

In Brüssel wird man über seinen Rücktritt froh sein. Irland ist das einzige Land in der Europäischen Union, in dem der Vertrag von Lissabon per Volksentscheid abgesegnet werden muss. Zwar setzen sich bis auf Sinn Féin alle Parteien für ein Ja ein, doch der Skandal um Ahern war eine Unwägbarkeit. Die Iren hatten schon den Vertrag von Nizza vor allem aus innenpolitischen Gründen abgelehnt. Im zweiten Anlauf bekam Ahern seinen Willen. Nun ebnete er mit seinem Rücktritt den Weg für ein Ja beim Referendum, das im Juni stattfinden soll.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!