Kommentar Irak-Besuch: Steinmeiers verlorener Posten
Kanzlerkandidat Steinmeier verdeutlicht seinen Machtanspruch. Doch das große im Wahlkampf-Thema wird die Wirtschaftskrise - nicht Außenpolitik.
Stefan Reinecke ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.
Frank-W. Steinmeiers Besuch in Bagdad ist ein Symbol. Er zeigt, dass der Zwist zwischen dem rot-grün regierten Deutschland und den USA von George W. Bush um den Irakkrieg vorbei ist. Das ist rational. Barack Obama, von Beginn an Gegner des Krieges, will die US-Besatzungstruppen in den nächsten zwei Jahren abziehen. Ein halbwegs selbstständiger und etwas stabiler Irak ist im gemeinsamen Interesse von EU und USA.
Das ist die eine Geschichte - die andere dreht sich um den SPD-Kanzlerkandidaten Steinmeier, der sich ziemlich auffällig als Aktivposten mit gutem Draht zur Obama-Regierung profiliert. Kürzlich flog er eilig nach Washington, um Hillary Clinton die Hand zu schütteln. Dann installierte er, demonstrativ an Kanzlerin Merkel vorbei und um den USA entgegenzukommen, einen Sonderbeauftragten für Afghanistan und Pakistan. Die Botschaften dieser Inszenierungen lauten: Steinmeier will nicht mehr als freundlicher Technokrat gelten, sondern als jemand mit Machtanspruch. Und: Bush war Merkels Mann, Obama, der von einem New Green Deal redet, ist unserer. Dass die USA von Deutschland unverzagt mehr Soldaten für Afghanistan verlangen, soll dabei in den Hintergrund rücken. Es stört das Bild von der neuen Innigkeit zwischen den USA und Deutschland, das die SPD gerne für sich reklamiert.
Also alles schon Wahlkampf? Ja, auch. Aber nicht mehr als beim Rettungsschirm für Banken, der Schuldenbremse oder dem Familienreport. Das alles überwölbende Thema ist sowieso die Wirtschaftskrise. Das schmälert auch das Gewicht der Außenpolitik im Wahlkampf. Zudem ist außenpolitisch kein echter Disput zwischen Union und Sozialdemokraten in Sicht. Schon der Streit über den Dalai Lama, in dem Steinmeier den Realpolitiker und Merkel die Menschenrechtsbeauftragte gab, wirkte leicht überinszeniert.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Außenpolitik 2009 von parteipolitischem Kalkül regiert wird, ist gering. Steinmeiers Chancen, dort richtige Geländegewinne gegen Merkel zu machen, auch.
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